Kultur: Spurensuche
Erhard Rudolph sprach in der Urania über Franz Liszt
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In den Konzertsälen dieser Welt wird man am kommenden Samstag den 200. Geburtstag des damals wie heute weithin gerühmten Maestro und Genies Franz Liszt begehen. Die Urania hielt zum Ereignis schon am Dienstag einen Vortrag mit dem Titel „Liebestraum“ bereit, was jeder Kultur- und Bildungsbeflissene natürlich sofort werk- und punktgenau zuordnen kann. Zum Glück legte der promovierte Musikwissenschaftler Erhard Rudolph, langjährige Stütze der Urania in Sachen Musik, keinen Wert darauf, den intellektuellen Pontifex zwischen damals und heute zu spielen. Er verlor sich weder in den abflusslosen Sümpfen akademischen Sendungsbewusstseins noch im wohlvertrauten Gehäuse der Spekulation. Kein Schema, keine Klischees, er wollte das etwa fünfzigköpfige, meist weibliche Publikum ganz unpretentiös mit dem am 22. Oktober 1811 geborenen Komponisten und Star-Pianisten aus Ungarn bekannt machen – auf freundlich-heitere, ja liebevolle Art. Liszt, von seinem Leben her erzählt, nicht von der Forschung!
Bevor das geschah, war ein Präludium nötig: Der Referent bewies erst mal, wie wenig unser Mozartbild noch mit dem Original zu tun habe. Der Salzburger sei nämlich weder heiterer Sinnesart noch Schürzenjäger – „Mit wem denn? Nennen Sie Namen!“ – noch gar leichtfertig gewesen. Rudolphs im Plauderton gehaltener Vortrag wollte offenbar verhindern, dass sein geliebter und so feuriger Liszt von den schnellen und billigen Urteilen gleichermaßen gefressen werde. Leider blieb das weitgehend folgenlos.
Zuerst ein bisschen Vorgeschichte. Vater und Mutter aus einfachen Verhältnissen, die frühe Begabung fürs Musische, Konzertreisen mit Zwölf durch halb Europa, die erste abgewiesene Liebe des „unter dem Kometen geborenen“ mit 17, Begegnungen mit Paganini und Beethoven, welcher ihm hoheitlich die Stirn zu küssen beliebte. Der ständige Konflikt zwischen dem europäischen Ruhm am Klavier und seiner zweiten Sendung als Priester des Papstes, die fast unendliche Geschichte seiner Liebe zu den hochgestellten Frauen, welche einfach nicht begreifen wollten, dass man so einen Künstler nicht mal im Geiste heiraten darf. Das ist doch sein Preis! Ständig auf Achse, verloren seine Kinder in den besten Jahren ihren Vater. So einer muss verdammt einsam gewesen sein! Doch hat es Sinn, danach zu fragen, wer nicht begehrt, seinen Willen zu erkennen?
Franz Liszt (der Vater hat seinem Namen erst das „z“ eingefügt) als gefeiertster Pianist des Kontinents. Seine berühmte Freigiebigkeit: Als er die Anträge einer jungen Tänzerin zurückwies und sie daraufhin ihr Hotelzimmer zerlegte, ließ er sich billigerweise die Rechnung schicken. Als „Förderer der neuen Musik“ mischte er nicht nur das klassisch erstarrte Weimar auf, er war er auch ganz massiv am Aufbau des Oberfränkischen Festspielhauses beteiligt. Man hörte von Tochter Cosima und Schwiegersohn Wagner, von Weimar und Bayreuth. Standards eben. Dazu gab es ausführliche Musikbeispiele von „Waldesrauschen“ und „Liebestraum“ bis zu diesem merkwürdig zerfahrenen Schlußsatz aus dem 2. Klavierkonzert. Neunzig Minuten, das war dann auch das Maximum. Eigentlich hat Erhard Rudolph weder etwas Neues noch Alles gesagt, dies aber auf witzig-charmante Weise. Und dann auch noch so elegant, dass man am Ende zwar Fragen stellen, aber mit nichts wirklich „dazwischenkommen“ konnte. Das macht, als Kompliment, wohl die Erfahrenheit des Lebens. Gerold Paul
Gerold Paul
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