Kultur: Stadt Land Flucht
Flüchtige Ausstellung von fünf Künstlern im Kunstraum innerhalb des Kulturjahres
Stand:
Die aktuelle Ausstellung im Kunstraum befasst sich mit dem interessanten und assoziationsreichen Thema „Stadt Land Flucht“. Sie findet im Rahmen des Kulturland-Themenjahres „Provinz und Metropole“ statt, so dass der Besucher erwarten könnte, dass es eine kuratorische Hand gibt, die die Arbeiten der fünf Künstler Thomas Anschütz, ushi f, Walter Gramming, Ralf Lücke und Christian Stötzner zu einer gewissen Einheit führt. Dem ist aber offensichtlich nicht so. Die Informationen über die Künstler sind lückenhaft und die Einzelarbeiten müssen ganz ohne Angaben auskommen.
Kunst soll ja wirken, also schauen wir mal: Im Eingangsraum hängen lange Bögen von Christian Stötzner, die aussehen, als seien sie selbst auf der Flucht. Einfach an die Wand gepinnt wurden die dünnen Blätter, die technische Computergrafik und bunte, sozusagen handgemalte, Energiezentren miteinander mischen. Möglicherweise soll gerade die Kombination der Techniken Land- und Stadtleben symbolisieren, aber die Arbeiten machen eher den Eindruck, als hingen sie kurz vor ihrer Exekution in den Papierkorb. „Escape“ steht da mal, oder auch „Flucht“ ist zu lesen auf den großen Bögen, einer davon zeigt einen wirklichen ästhetischen Willen mit schwarz durchbrochenen Flächen, die Vogelschwärme darstellen könnten oder auch Wolkengebilde, wie man sie eben nur auf dem Lande und nicht in der Stadt sehen kann.
Schnell geht es weiter zur Abteilung von Christian Stötzner, der sich einen auf beiden Seiten mit einem Vorhang abgetrennten „dark room“geschaffen hat. Darin stehen, zum Teil beleuchtete, Skulpturen, die insgesamt eine Art Wald ergeben. Noppenartig sind meist die Körper, manche rotieren, andere stehen still. Aus einem wachsen Äste mit blauen Lampen wie wilde Haare, aus einem anderen schwarze, kopfähnliche Gebilde, an denen bestrumpfte Frauenbeine hängen – allerdings ohne Füße. Sehr ready-made wirken diese Skulpturen. Im angrenzenden Raum haben ushi f und Walter Gramming eine Gartenlaube um die Wendeltreppe aufgebaut. Sie ist als Gerüst in ihrer Struktur erkennbar, die Fantasie des Betrachters wird durch Details aus der Laube von „Frau Lehmann“ in ein Universum geleitet, das zugleich Idylle und Fluchtraum war. Originalteile aus der Laube sind wie Weihnachtspakete auf den Simsen aufgebahrt, in transparentes Acryl verpackt, so dass man auch jetzt noch die Wünsche und Hoffnungen, die mit dem Leben auf dem Quasi-Lande verbunden waren, erkennen und sich in sie hineinträumen kann. Es gibt sogar den Eingangsvorhang aus Plaste-Plüsch mit, darauf legt die Künstlerin Wert, dem Originalgeruch von Frau Lehmanns Laube.
Geht man die Wendeltreppe nach oben, findet sich die zweite Installation des Künstlerpaares. Ein roter, geschwungener Acrylvorhang rotiert im Scheinwerferlicht vor einer Leinwand, auf der sich der Film einer Flucht abzeichnet. Eine nackte Frau mit nacktem Kind rennt zwischen Autoscheinwerferlicht um ihr Leben. Uschi f und Walter Gramming führen mit beiden Installationen den Besucher in eine reiche Assoziationswelt. Sie zeigen einerseits, liebevoll ironisch, individuelle Ausbruchsmöglichkeiten aus dem städtischen Alltag und nehmen - bei der zweiten Arbeit - Bezug auf die politisch globalisierte Welt. Im großen Raum unten hat Thomas Anschütz meist querformatige Doppelbelichtungen wie einen Wald gehängt, bewundernswert ist daran sowohl die aufwändige Hängeinstallation, als auch die sorgfältige Bearbeitung der Fotos. So werden die Urlaubsidyllen der frühen sechziger Jahren (Menschen im Badeanzug vor Alpenkulisse) durch Schlieren und Doppelbelichtung gebrochenen erfahrbar. Traumlandschaften entstehen und Städte, die sich scheinbar durch die Last des unentwegten Personen- und Autoverkehrs wie von selbst auflösen.
Es empfiehlt sich also, genauer hinzuschauen bei dieser Ausstellung, die mit etwas mehr Sorgfalt und Liebe gut hätte werden können. Lore Bardens
Finissage am 5. Oktober um 15 Uhr
Lore BardensD
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