Kultur: Steigernd, kompakt und klanghart Orgelsommerkonzert mit Esa Toivola
„Der einzige Krebs in meinem Bache“ sei er, ist anekdotisch vom Leipziger Thomaskantor über seinen Lieblingsschüler Johann Ludwig Krebs überliefert. Über einen anderen „Lehrjungen“, Johann Oley, kennt man ähnlich Rühmenswertes nicht.
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„Der einzige Krebs in meinem Bache“ sei er, ist anekdotisch vom Leipziger Thomaskantor über seinen Lieblingsschüler Johann Ludwig Krebs überliefert. Über einen anderen „Lehrjungen“, Johann Oley, kennt man ähnlich Rühmenswertes nicht. Abwechselnd erklingende Werke beider Ex-Eleven bestimmen den ersten Teil des ungewöhnlichen, reizvoll zusammengestellten, mit Raritäten nicht geizenden Orgelsommer-Konzerts, das der finnische Organist Esa Toivola am Mittwoch an der Woehl-Orgel der Friedenskirche absolvierte. Zwei Krebssche Präludien erweisen sich als überraschend kurze, ziemlich substanzarme Piecen, die in Bachscher Manier mit reichlich akkordischen Zutaten verfertigt sind. Esa Toivola setzt dabei auf helle Prinzipalstimmen, die für strahlenden Glanz sorgen. Ein schnarrender Mix aus Zungenstimmen bestimmt die „Fantasia à gusto italiano“, die sich fantasievoller vorführt als die präludierenden Handgelenksübungen.
Anders dagegen drei Orgelchoräle von Oley, deren filigrane, geradezu zerbrechlich wirkende Strukturen vom Organisten mit sehr viel Einfühlungsvermögen gespielt werden. Auch hier setzt er vorrangig auf weiche Stimmen und gedeckte Farben, die den Melodien („Es ist vollbracht“, „Werde munter mein Gemüthe“, „Jesus meine Zuversicht“) entsprechend tröstliche, verspielte bis lieblich-gefällige Gefühle verleihen. Barocke Formen mit spätromantischem Geist zu erfüllen, hat sich der Leipziger Orgelprofessor und Reger-Schüler Karl Hoyer (1891-1936) zur Aufgabe gestellt. Seine „Meditation“ und Variationen über ein geistliches Volkslied op. 33 künden davon: anschwellend, sich ins Voluminöse steigernd, kompakt und klanghart.
Doch Esa Toivola fühlt sich auch für seine heimatlichen Tonsetzer durch das Registerangebot der sinfonisch disponierten Orgel zu fantasiereichem Stimmenklang geradezu angespornt. Die Passacaglia fis-Moll von Oskar Merikanto (1867-1924) führt Esa Toivola als eine episch geprägte, empfindsam fließende Erzählung vor, bei der sich Helle, Leichtigkeit und Strahlkraft mit tänzerischem Schwung verbinden. Von Taneli Kuusisto (1905-1988) lässt er das „Interludio“ als zartes Stimmungsgebilde entstehen. Handwerkliches Können, präzise Klangvorstellungen und überzeugende Phrasierungen verhelfen auch der abschließend erklingenden Bearbeitung von Jean Sibelius’ nationalhymnischer „Finlandia“-Dichtung zu überzeugender Wirkung, die Esa Toivola an diesem Abend mit ausuferndem Vibrato und vollem Orgelwerk erreicht. Peter Buske
Peter Buske
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