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Kultur: Stein & Sturm lesen Bernhard

Innerhalb des Werks von Thomas Bernhard ist „Der Untergeher“ einer der einfacheren und „heiteren“ Texte. Obwohl die Kategorie Heiterkeit beim großen österreichischen Misantropen sicherlich nicht ganz angebracht ist.

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Innerhalb des Werks von Thomas Bernhard ist „Der Untergeher“ einer der einfacheren und „heiteren“ Texte. Obwohl die Kategorie Heiterkeit beim großen österreichischen Misantropen sicherlich nicht ganz angebracht ist. Die Dreiecksbeziehung zwischen drei Klaviervirtuosen, dem neurotischen Erzähler, dem „Untergeher“ Wertheimer und Glenn Gould endet – natürlich - im Selbstmord. „Zizers“ liest Timo Sturm im T-Werk, und immer wenn er „Zizers“ liest, lacht es auf Seiten der Zuschauer, die sich die Fortsetzung der Bernhard-Lesung nicht entgehen lassen wollten. „Ausgerechnet nach Chur, in diese fürchterliche Gegend, in welcher der Katholizismus tatsächlich zum Himmel stinkt, Zizers, was für ein scheußlicher Ortsname!“ liest Sturm, und sein Zizers klingt tatsächlich immer scheußlicher. Der Untergeher hat sich dort aufgehängt. Die anfänglichen Zweifel, ob sich ein Bernhard-Text für eine szenische Lesung für zwei Schauspieler eignet, sind schnell verflogen. Stein und Sturm teilen die Lesestellen so, dass die neurotisch, pedantische Stimme des Erzählers seine ganze Schizophrenie entfalten kann. So präzise und pointiert lesen sie, wie sie auch das synchrone Umblättern ihres Manuskriptes zelebrieren. Einfacher und schöner kann man sich Bernhards manischen Texten nicht nähern. In dieser Präsentation offenbaren sie ihren Sprachreichtum und kunstvolle Komposition. Die Teilung in zwei antipodische Stimmen, die eher manischen Töne Steins und den beruhigenden Bass Sturms, zeigen die Wortschönheiten und die Kraft der kreiselnden Satzgefüge Bernhards in ihrer Vollendung. Verschachtelungen von erzählter Zeit und Erzählzeit in Phrasen wie „Sagte er, dachte ich“, einem typischen Merkmal der Bernhard´schen Erzählweise, bekommen so von Sturm und Stein klärende Struktur. Matthias Hassenpflug Schönfeld & Stein lesen Kleists Michael Kohlhaas am 12.12. im T-Werk

Matthias Hassenpflug

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