Kultur: Steinreich
Der Bildhauer Rudolf Böhm im Pavillon auf der Freundschaftsinsel
Stand:
Steinreich sind nicht Millionäre allein. Der glückbegabte Bildhauer Rudolf Böhm ist es offenbar auch. Eine faszinierende Ausstellung in dem Pavillon auf der Freundschaftsinsel stellt erstmals das freie Schaffen des 1941 im Vogtland geborenen Künstlers und stadtbekannten Restaurators „im Überblick“ vor. Wer sie zu lesen versteht, wer sie annehmen kann, darf sich im Wortsinn bereichert fühlen, denn sie gibt nicht nur den künstlerischen Werdegang des in Markneukirchen geborenen Mannes wieder, sie spiegelt auch 40 Jahre Zeitgeschichte, mithin seine innere Biographie.
So war es wohl eine längst fällige Bringeschuld Potsdams, ihm mit dieser Schau am schönen Ort gleichsam selbst ein Denkmal zu setzen. Im Vogtländischen hat er das Zeichnen und Schnitzen gelernt, in Dresden war seine Lehrzeit, bevor er sich 1966 „Steinbildhauermeister“ nennen durfte. Ein Jahr später begann seine Arbeit als Restaurator bei den Staatlichen Schlössern und Gärten Potsdams, Spezialgebiet Skulpturen, deren Werkstatt er bis heute leitet. Böhm restaurierte in Sanssouci und schuf zugleich „angewandte Arbeiten“ für die Stadt, oft mit Walter Rentzsch zusammen, so den „Bacchusbrunnen“ auf dem Broadway oder den Märchenbrunnen „Die 7 Raben“ für die Waldstadt. Manches Relief, manche Figur an städtischen Häusern wird in seiner Schönheit beim Vorübergehen kaum beachtet, wie die geschleierte „Venus“ vom Hotel am Jägertor.
Traten nun im restauratorischen, also dienenden Schaffen eigene Ambitionen hinter den Namen der Schöpfer (Rauch, Adam, Glume) zurück, so entstand zugleich ein Parallelwerk eigener Arbeiten, deren Stil sich oftmals an solchen Vorbildern schulte. Böhm liebt als „echter Bildhauer“ besonders die Form, als das Ganze, wie bei den lebensgroßen Figuren „Flora und Pomona“ (1979) am Eingang des Pavillons zu sehen ist. Die ausdrucksstarke Gruppe zeigt elegant geschwungene Linien, ohne Gesicht. Na gut, auch die Originale an der Havelbucht scheinen derzeit etwas kopflos zu sein. Mit dem, was man in den Sechzigern „Realismus“ nannte, erarbeitete er sich Porträtköpfe wie „Erika“ oder „Gudrun“, welche sich mit denen von „Lukas oder Anna-Maria“ (2003) sehr hübsch vergleichen lassen: Letztere erinnern mitsamt ihrer Politur an den Stylus von Rauch. Eine Gruppe von Arbeiten ist dem Thema „Mutter und Kind“ gewidmet, der innigsten aller Verhältnisse, doch auch Madonnen findet man, Reflexe auf den Vietnamkrieg oder den Hunger im Sahel, erstaunlicherweise in kleinen Formaten, wie anderes auch. „Das Leben“ beschäftigt ihn als Marmorrelief oder in Gestalt eines hölzernen Baumes, die Welt vom südamerikanischen „Idol“ über eine „Sphinx“ bis nach Mittelasien, wo er sich eine Felsenstadt in Kalkstein nachbildete. Gipsern hingegen sind drei Köpfe stadtbekannter Personen parodiert.
Das unbestrittene Zentrum dieser Schau ist natürlich die pechschwarze „Königin von Saba“ aus zweierlei Marmor, eine echte Denkwürdigkeit. Akt-Skizzen, Rötelzeichnungen sowie einige Aquarelle, worin sich sein Erstaunen über das mittlere Asien spiegeln sollte, ergänzen das Bild von Rudolf Böhm „im Überblick“. Seine Doppelfunktion hat ihm wenig geschadet. Er weiß bestens mit Marmor, Bronze, Kalkstein, mit Holz oder Zinn umzugehen, und manchen Arbeiten sieht man schon an, dass ihm der erfahrene Restaurator über die Schulter geschaut hat. Sein Werk scheint nicht groß und nicht klein. Wie es ist, so macht es eben auch reich.
Geöffnet von Mittwoch bis Sonntag, ab 12 Uhr.
Gerold Paul
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