zum Hauptinhalt

Kultur: Sterbehilfe kann so grausam sein

F. W. Bernstein und Christiane Steltner als „Gemischtes Doppel“

Stand:

„Gemischtes Doppel“ ist der Titel der diesjährigen Satire-Ausstellung der Potsdamer Landeszentrale für politische Bildung mit der Präsentation von F. W. Bernstein und Christiane Steltner. Obwohl weder eines Jahrgangs noch gleicher Herkunft, verbindet die beiden mehr als das einstige Lehrer-Schüler-Verhältnis: Jeder der beiden lässt sich per „satirischer Korrespondenz“ und auch sonst vom anderen ins Bild hineinmalen. Einer fängt an, der andere vollendet. Oder man erschafft das, was früher mal mit Naserümpfen Gemeinschaftswerk genannt wurde. Da beide ihre Arbeiten auch noch gemeinsam ausstellen, ist es nicht immer klar oder wichtig, wessen Name unterm Bildwerk steht, Hauptsache, man lacht über diese „satirischen und komischen Blätter“. Dass man dabei an ihren selbst erfundenen Metaphern wie Erdbeere und Kastanie so wenig vorbeikommt wie an der berühmten Elch-Frage aller Kultur (deren Gründungsväter einer F. W. Bernstein war), versteht sich von selbst.

Der Besucher wird freilich viel Zeit mitbringen müssen, denn das gemischte Doppel zeichnet, skizziert und aquarelliert mit höchstem Fleiß gleichsam in allen Lebenslagen. Beim selbsternannten Zeichenzausel Bernstein erst recht, denn ihn hat ja außerdem noch die reimende Muse geküsst. So dichtet er über die bildenden Künste: „Wichtig ist das Kleinformat, weil’s uns was zu sagen hat. Große Bilder zeigen/ Farb und Form und schweigen.“ Dieser Gelegenheitsdichter mit bürgerlichem Namen Fritz Weigle (das F. W. eben vor dem Bernstein) hat zwar eine akademische Kunstausbildung, aber nicht die passende Haltung dazu. Als Zeichenlehrer an einer Schule gab er den Kindern zum Beispiel immer nur Einsen, und auch sonst schoss er lieber mal kreuz und mal quer als geradeaus. Dass Vielmalen oder -zeichnen aber nicht immer ein Gewinn sein kann, verschweigt sein Ausstellungspart nicht. F. W.s Preußenkommentare wirken harmlos, seine Kastanien-Philosophie nur irgendwie heiter. Am besten ist, was er über den „deutschen Polizeistaat“ zu sagen hat. Erschießt ein Polizist den Zivilist auf der Straße, meint sein Kollege trocken dazu: „Sterbehilfe kann so grausam sein.“ Immerhin sorgt der Karikaturist dafür, dass so eine Uniform nicht auf den Leser zielt. Vieles andere von dieser Hand ist einfach nur Spaß, Spielerei oder Einsicht von der Stange. Trotzdem plagt den alten Herrn mit dem dicken Schnauzer immer mal wieder Reimweh.

Christiane Steltner war nicht nur seine Schülerin. Nach dem Mauerbau geboren soll sie mehr als ein Dutzend ganz unterschiedlicher Berufe ausgeübt haben. Einer davon heisst „Karikatur“. Neben ihrer Mitarbeit am Gemeinschaftswerk sind vor allem ihre eigenwilligen Papst-Porträts nebst dazugehörenden Kommentaren sehenswert und bildsam. Alle Papas haben bei ihr den Heiligenschein, doch traut sie sich, Pius I. Hasenohren aufzusetzen, Simmacus, der bekanntlich mit Theodorich kungelte, eine moderne Sonnenbrille zu verpassen und Silverius Kopf samt Körper in Stromlinienform zu bringen: „Verhaftung, Verbannung und Abmarsch“, schreibt sie lakonisch dazu. Diese Arbeiten haben ein anderes Format als die antipapistischen Spott-Cartoons von F. W. Bernstein (der Papst als Exhibitionist). Doch was soll’s, diese viel zu umfangreiche Ausstellung bleibt sowieso hinter denen früherer Jahre zurück, hinter Frank Hoppmanns brillanten „Charakterköpfen“ von 2010 oder auch hinter „WahlWeise“ älteren Datums. An Biss, an Kraft, an Distanz. Gerold Paul

Noch bis zum 2. September, Mo-Mi, 9-18 Uhr, Do. und Fr. 9-15 Uhr in der Heinrich-Mann-Allee 107, Haus 17

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })