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Kultur: Steril statt bestialisch

Thrash und Death Metal im Lindenpark

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Gleich vorneweg: So richtig bestialisch wurde es Samstagnacht nicht, auch wenn ein „Beastival“ – in plakativen Iron-Maiden-Lettern auf den Flyer gedruckt – im Lindenpark angekündigt wurde. Das totale Metal-Brett, so richtig böse. Aber böse tun und böse sein sind eben doch zwei verschiedene Paar Schuhe, weshalb alles ganz friedlich blieb. Klar, Abriss sieht anders aus, aber so wurde immerhin der Lindenpark stehen gelassen.

Was den ultimativen Metalgenuss jedoch immer ein bisschen trübt, ist die Sterilität – und die ist auch im Lindenpark überdeutlich zu spüren, was eben auch für den Sound zutraf. Der kam ganz glasklar aus den Boxen, was ja eigentlich löblich ist – aber zu einer Thrash-Kapelle wie den Potsdamern Step Into The Hellgarden, die den Anfang machten, gar nicht passen wollte. Thrash wünscht man sich irgendwie immer noch in einer verrauchten, dunklen Kaschemme, was roh zubereitet wird, sollte auch roh verzehrt werden.

Roh, aber durchaus ansehnlich waren schließlich Reizgas, die nach Umbesetzungskarussell erstaunlich lebendig wieder auf der Bühne auftauchten. Die Potsdamer sind ja eine gewisse Instanz in Sachen Thrash und waren auch dieses Mal wieder glänzend aufgelegt. Reizgas machen einfach Spaß, dafür braucht man keinen Kreator-Rückenaufnäher auf der Jeansweste. Wer Reizgas kennt, weiß, was er geboten bekommt: dampfwalziges Vorwärtsgepresche mit den nötigen Prisen Hardcore und Death Metal. Und auch für Reizgas gilt die Regel, dass Metal einfach besser wird, wenn man sich die Instrumente tief schnallt. Wer braucht schon Progressivität, wenn die gute alte Schule immer noch am besten funktioniert? Das galt auch für den ganzen Abend: Das Rad wurde nicht neu erfunden, eher eine aggressive Retrospektive. Reizgas waren da definitiv das Highlight.

Waren Reizgas noch thrashig-melodisch, ging es danach deutlich härter zur Sache. Death Metal? Yeah! Ein gut funktionierendes Genre, um einfach mal ein wenig brüllend rumzuposen. Das routinierte Geradeausgeprügel von Sunna Sepdoom rettete die Band aber auch nicht. Lange Haare, Bärte, Ringe – und die Aura des Bösen; leider kam man da ziemlich schnell in der Langatmigkeit an. Sunna Sepdoom huldigten dem Todesmetall, der ja schon bei Klassikern wie Six Feet Under hervorragend funktioniert, ein mit Testosteron gefüllter Gang zur Schlachtbank. Zum Headbanging ganz gut geeignet, auch wenn der Funke nicht richtig überspringen wollte – ein weiteres Opfer der Lindenpark-Sterilität.

Das änderte sich auch nicht zur letzten Band, die genauso dem klassischen Todesmetall verpflichtet war. Betalmand waren eindeutig in den Achtzigern stecken geblieben, was ja kein Negativpunkt ist, wenn man auf Bands wie Bolt Thrower steht. Wenn nicht, blieb einem nur der Trost, dass hier ganz traditioneller Metal gespielt wurde ohne große Schnörkel. Tiefe Gitarrenriffs, die nach vorne stampften, aber irgendwie doch nicht in der Lage waren, das aufkommende Gefühl von Langeweile abzuschütteln. Nun ja, dem überwiegend langhaarigen Publikum gefiel’s, in den Knien federnd wurden die Haare geschüttelt. Aber nach so viel Death Metal wünscht man sich doch das Roh-Thrashige zurück: Vielleicht hätten Reizgas doch besser als Headliner gepasst. Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

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