Kultur: Sternstunde der Musik
„Das Musikalische Opfer“ bei Bach-Tagen
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„Das Musikalische Opfer“ bei Bach-Tagen „Aus Potsdam vernimmt man, daß daselbst ... der berühmte Capellmeister aus Leipzig, Herr Bach, eingetroffen ist, in der Absicht, das Vergnügen zu genießen, die dasige vortreffliche Königliche Music zu hören. . Höchstdieselben giengen bei dessen Eintritt an das so genannte Forte und Piano; geruheten auch ohne einige Vorbereitung dem Capellmeister Bach ein Thema vorzuspielen, welches er in einer Fuga ausführen sollte. Es geschah dieses von gemeldetem Capellmeister so glücklich, daß nicht nur Se. Majestät Dero allergnädigstes Wohlgefallen darüber zu bezeugen beliebten, sondern auch die sämtlichen Anwesenden in Verwunderung gesetzt wurden", schrieben die Berlinischen Nachrichten vom 11. Mai 1747. Was der Presse eine Meldung wert war, bereitete jedoch dem Thomaskantor Kopfschmerzen. So zumindest beschreibt Stefan Zweig die Folgen der Begegnung zwischen Johann Sebastian Bach und Friedrich II. in einer Novelle, die in den „Sternstunden der Menschheit“ enthalten ist. Was Zweig als tiefen Konflikt zwischen dem individuellen Künstler und der reglementierenden Staatsmacht darstellt, war sicher nicht eine Sternstunde. Das „Musikalische Opfer" von Bach, eine Sammlung von zehn Kanons, zwei Fugen und einer viersätzigen Trio-Sonate, die alle auf dem friderizianischen „Thema Regium“ beruhen, wird heute selten gespielt, höchstens einmal die Sonate. Vielen erscheint es als reines Bravourstück musikalischer Gelehrsamkeit. Doch im Rahmen der Bachtage Potsdam traf das „Musikalische Opfer" auf großes Interesse, wie die zahlreichen Zuhörer in der Französischen Kirche zeigten. Die Musiker der „Kleinen Cammermusik“ spielten dermaßen brilliant, dass der Alte Fritz und der Thomaskantor seine Freude daran gehabt hätten. Der musikalische Reigen begann mit der Trio-Sonate c-Moll von Carl Philipp Emanuel Bach, der als Kammermusiker bei Friedrich tätig war. Wolfgang Hasleder und Sarah Flögel an den Violinen gestalteten die Sonate als feinsinnigen Dialog zweier gegensätzlicher Charaktere, ein filigranes Spiel voll rhetorischer Spitzfindigkeiten. Eher zurückhaltend, doch mit delikater Intonation spielte Benedek Csalog die Solo-Sonate für Querflöte, ebenfalls von C. Ph. E. Bach. Der Cembalist Edgar Strack und die Cellistin Kathrin Sutor gaben den Continuo-Part, traten aber auch mit subtilen Solopartien hervor. Wohl nur ein Großmeister wie Bach konnte dem ziemlich trockenen königlichen Thema mit seinem geballten musikalischen Erfindungsreichtum und Wissen musikalische Reize entlocken. Für eine hörenswerte Interpretation bedarf es glänzender Musiker. Mit stupender Technik und großartigem Spiel gelang es der „Kleinen Cammermusik“, die ausgeklügelten kompositorischen Finessen des „Musikalischen Opfers“ zum Vorschein zu bringen. Hasleder erwies sich erneut als exzellenter Geiger. Auf seiner Barockvioline erzeugte er erlesene Töne, hochstilisiert, klar und sensibel. So geriet die Aufführung des Musikalischen Opfers unter dem Stern der Kuppel der Französischen Kirche zu einer Sternstunde der Musik. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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