Kultur: Stets zu laut, routiniert und uncharmant Operettengala im Nikolaisaal
„Gibt’s denn keine Programmhefte?“ Immer wieder die gleiche Frage und immer wieder Schulterzucken beim Abendpersonal.
Stand:
„Gibt’s denn keine Programmhefte?“ Immer wieder die gleiche Frage und immer wieder Schulterzucken beim Abendpersonal. Doch nicht mal zu einem Ablaufzettel hat es beim Veranstalter, der Concert- & Eventagentur Platner aus Görlitz, gelangt. Und das bei stolzen Billettpreisen zwischen 35 und 50 Euro! Und so blieben die Besucher der am frühen Dienstagabend beginnenden „Großen Gala-Nacht der Operette“ im fast ausverkauften Nikolaisaal auf die Moderation angewiesen. Wer allerdings zuvor einen nischenversteckten Flyer im Werberegal der Ticketgalerie entdeckte, war etwas besser dran. Die meisten blieben jedoch ahnungslos. Und damit erwartungsfroh auf Kommendes eingestimmt.
Das verheißt Einblicke in die „Ära der silbernen und goldenen Operette, präsentiert von einem internationalen Starensemble mit Solisten, Ballett und dem Golden Star Orchester“. Letztere entpuppen sich, nach späterer Rückfrage beim Veranstalter, als Mix von Musikern des tschechischen Stadttheaters Usti nad Labem und vier Tanzpaaren vom Hausballett. Darüber hüllt sich der Ansager, sich erst zum Konzertende als Alexander Klinger outend, in Schweigen. Die Herren des 24-köpfigen Orchesters, im Bühnenhintergrund platziert, erscheinen im weißen Diner Jacket, die Damen im langen Schwarzen. Dann tritt der Dirigent im roten Sakko auf. Ihm folgt ein Herr im Frack. Zu lautstarkem Orchestereinsatz stimmt er das Bekenntnis „Dein ist mein ganzes Herz“ an. Folglich ist er ein Tenor, der aus dem Land des Lächelns den liebeslyrischen Hymnus aus Lehárscher Feder mitgebracht hat. Dazu steht er im Lichtkegel eines imaginären Boxringes in der Kampfpose eines muskelprotzenden Heros, immer wieder ein Bein vors andere stellend. Adam Sanchez heißt der kraftvoll tönende und forcierende Sänger. Er ist in Warschau geboren, vom Elternhaus her Mexikaner und hat in Deutschland Gesang studiert. Bei dieser Operettenhitparade ist er „mit seiner goldenen Kehle“, so der Ansager, für die solistischen und duettierenden Liebhaberrollen zuständig. Doch nicht alles, was glänzt, ist auch golden, geschweige denn geschmeidig.
Als Wiener Charme- und Schmähbolzen entpuppt sich Alexander Klinger, ein bühnenerfahrener Tenorbuffo und anekdotenreicher Plauderer. Im Medley aus dem Benatzkyschen „Weißen Röß’l“ ist er genauso mit von der Partie wie er solistisch sein Abrahamsches „Diwanpüppchen“ augenzwinkernd besingt. Nach und nach wird die weitere Hitliste zwischen „Vogelhändler“ und „Zigeunerbaron“ abgearbeitet. Ob als Pompadour, Julischka aus Budapest oder Christel von der Post begeistert die warmstimmige und gefühlssichere Sopranistin Gabriele Rösel mit sicher gesetzten Spitzentönen. Kurzfristig eingesprungen ist Stimmkollegin Ruth Ohlmann. Nicht nur beider Nummern werden beifallsfreudig aufgenommen, manche bekannte Melodie vom Publikum sogar mitgesummt. Auch das Auge bekommt manch tänzerische Garnierung in hausbackenen Choreografien zu sehen. Selbst Johann Strauß’ „Geschichten aus dem Wiener Wald“ oder Schnellpolkas sind davon nicht ausgenommen. Nicht nur hier bevorzugen die Musiker unter Leitung von Jiri Mikola statt einer begleitenden jene dominante Spielhaltung, die sie dynamisch undifferenziert, stets laut, routiniert und uncharmant vorführen. Mit drei Zugaben, darunter dem obligatorischen Radetzky-Marsch, danken sie dem anhaltenden Beifall. Peter Buske
Peter Buske
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: