Kultur: Stimmenfest der Extraklasse
Voces8-Auftritt beim Vocalfestival „Vocalise“
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Wo auch immer sie auftreten, werden jenem A-cappella-Vokalensemble Lobeshymnen gesungen, das sich Voces8 nennt und am Donnerstag im Rahmen der „Vocalise“ in der Erlöserkirche auftrat. Auch diesmal löste es seinen Ruf ein, in der Edelklangklasse einen der vorderen Plätze zu belegen. Gaben sich Anfang Oktober die britischen King’s Singers als singender Rolls-Royce im Nikolaisaal die Ehre, könnte man die Voces8 mit ihrem unverwechselbaren Mischklang, bei dem die Eigenheiten jeder einzelnen Stimme erhalten bleiben, als einen rassigen und noblen Bentley bezeichnen. Das „Fahrverhalten“ der achtköpfigen Truppe, bestehend aus je zwei Sopranistinnen (Andrea Haines, Emily Dickens), Countertenören (Chris Wardle, Barnaby Smith), Tenören (Sam Dressel, Oliver Vincent) sowie je einem Bariton (Paul Smith) und Bass (Dingle Yandell) ist ohne Fehl und Tadel. Sie harmonieren aufs Beste, singen mühelos und locker, schalten mit Feingefühl die Gänge zwischen geistlicher Chormusik, Madrigalen, Spirituals, Jazz- und Poptiteln, um die Reise durch 500 Jahre Musikgeschichte ohne „Getriebeschäden“ in den Kehlen zu überstehen. Mehrere von ihnen erweisen sich als witzige, von britischem Humor erfüllte Reiseführer, deren Erläuterungen in englischer Sprache die zahlreichen älteren Mitreisenden kaum erfreuen. Sie sind stattdessen not amused.
Doch die unkonventionelle Art der wandlungsreichen Stimmungszauberer entschädigt sie dafür umso mehr. Bei fast jedem Titel wechseln die Sänger ihre Position innerhalb der bogenförmigen Basisaufstellung. Dann wieder verdichten sie sich zur Kompaktgruppe, um Solisten gebührend hervortreten zu lassen, oder entführen auch rein optisch in die getanzte Filmmusikwelt. Ob das eingangs kristallklar und herb angestimmte „Sing Joyfull“ von William Byrd (1543-1623), das traditionelle Spiritual „Were You There“ oder das jazzswingende „I Won’t Dance“ von Jerome Kern – für jeden Titel finden sie die erforderliche Stilistik.
Sie singen Poptitel wie Jimm van Heusens „Ain’t That A Kick In The Head“ nach den Regeln des Pop und lassen die Renaissancemusik eines Hieronymus Praetorius mit seinem „Magnificat Quinti Toni“ als vibratolosen Vokalklang voller herber Schönheit entstehen. Getreu ihres Programm-Mottos „Shuffle“ mischen sich die Zeiten und Stile fast nahtlos. Und durchaus passend, wenn die Stimmungen von Stücken des 16. mit denen des 20. Jahrhunderts nahezu identisch sind. Wie beispielsweise die seelenbalsamische Motette „Ubi Caritas“ zum Lobpreis der Güte Christi des Amerikaners Ola Gjeilo, Claude Schoenbergs „I Dreamed A Dream“ mit dem nachfolgenden „Te Lucis Ante Terminum“ des Renaissance-Meisters Thomas Tallis und dem weihrauchverbreitenden russisch-orthodoxen Kirchengesang „Bogoroditze Djewo“.
Und immer wieder der aparte Wechsel von aufgehellten mit abgedunkelten Klangfarben, die enorme dynamische Bandbreite und die geradezu plastische Vortragskunst, wenn ein Tenor in Nat „King“ Coles „Straighten Up And Fly Right“ zum anfänglichen Vokalisengesang mit der Imagination eines gezupften Kontrabasses aufwartet. Doch auch den leuchtenden und jubilierenden Gesang für Giovanni Gabrielis mehrstimmiges „Jubilate Deo“ beherrschen sie mit atemberaubender Perfektion. Ein Stimmenfest der Extraklasse. Peter Buske
Peter Buske
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