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Kultur: Stimmgewaltig und ausdrucksstark Der YL Männerchor in der Nikolaikirche

„Eintritt frei“ – eine verführerische Einladung, die man entweder dankend annimmt oder der man misstraut, getreu der Devise: Was nichts kostet, kann nicht gut sein. Wer aber seiner inneren Stimme folgte und sich auf die Einladung einließ, wurde Zeuge eines beeindruckenden künstlerischen Erlebnisses: dem a-cappella-Auftritt des YL Männerchors bei einem Benefizkonzert für die neue Orgel am Donnerstag in der Nikolaikirche.

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„Eintritt frei“ – eine verführerische Einladung, die man entweder dankend annimmt oder der man misstraut, getreu der Devise: Was nichts kostet, kann nicht gut sein. Wer aber seiner inneren Stimme folgte und sich auf die Einladung einließ, wurde Zeuge eines beeindruckenden künstlerischen Erlebnisses: dem a-cappella-Auftritt des YL Männerchors bei einem Benefizkonzert für die neue Orgel am Donnerstag in der Nikolaikirche. Dabei handelt es sich um Finnlands ältesten finnischsprachigen Chor, wobei „YL“ für „Ylioppilaskunnan Laulajat“ (Akademischer Gesangverein) steht. Er wurde 1883 in Helsinki gegründet. Seither hat der Chor eine besondere Verantwortung bei der Vergabe von Kompositionsaufträgen bewiesen, beispielsweise an Jean Sibelius, dessen Männerchorwerke allesamt von YL uraufgeführt wurden. Doch auch der zeitgenössischen Musik, wie die von Landsmann Einojuhani Rautavaara oder dem Deutschen Heinrich Poos, fühlt sich das 65-köpfige Klangkraftpaket unter der leidenschaftlichen, ausdrucksfordernden Leitung von Chorleiter und Chefdirigent Pasi Hyökki zutiefst verpflichtet.

Was einst durch Kneipenseligkeit, Liedertafelei und Vereinsmeierei ein wenig in Verruf geraten war, findet sich durch das Können der YL-Truppe restlos rehabilitiert. Sehr kraftvoll und selbstbewusst, gleichsam testosterongesteuert erklingt zu Beginn das mehrstimmige „Nuijamiesten marssi“ von Toivo Kuula (1883-1918), in dem sich die Phalanx strahlender Tenöre, sonorer bis abgrundtiefer Bässe und diverser Mittelstimmen in stupender Stimmverfassung präsentiert. Nicht weniger präzise im Zusammenklang ihrer klaren, bestechend sauber intonierenden Stimmen zeigen sich die Herren ebenfalls in des Komponisten „Kullervon laulu“: zunächst getragen und schwebend, dann kraftvoll sich erhebend. Hier, wie auch in dessen „Virta venhettä vie“ (Ein Boot fährt auf dem Strom), das dem Programm den Namen gibt, werden von den Sängern die Schlussakkorde bewusst lange ausgehalten, wodurch in der diffizilen Kirchenakustik eindrucksvoll zusammenschwingt, was zusammengehört. Und glockenklangähnlich nachhallen kann. Ein Eindruck, der sich übrigens bei allen Nummern einstellt. Der Seele ist’s in jedem Fall angenehm.

Zunehmend entpuppen sich die Sänger als vorzügliche Klangmodelleure und Farbenmaler. Ohne romantische Sentimentalitäten, doch mit klangschönem Pianissimo stöbern sie nach Richard Strauss‘ Willen „Durch Einsamkeiten“. Mit zärtlicher Hingabe, dann wieder triumphierend malen sie drei Stücke von Selim Palmgren (1878-1951) oder tauchen Eric Whitacres „Lux aurumque“ tatsächlich in ein stimmgoldenes Licht. Dazu umstehen sie das Publikum halbkreisförmig, es gleichsam umschließend. Da hört man jede einzelne Stimme: unverwechselbar und dennoch Teil eines einheitlichen Ganzen. Es scheint, als hielten sie in ihren Kehlen ein ganzes Orchester verborgen. Geradezu beklemmend gerät ihnen der Vortrag des Opus „Incantatio maris aestuosi“, das der estnische Zeitgenosse Veljo Tormis nach dem Schiffsuntergang der „Estonia“ 1996 komponiert hatte. In Ruhe beginnend und endend tobt zwischendurch ausgiebig ein Stimmorkan mit Pfeifen und Windheulen. Auszüge aus „Ein Lebensbuch“ von Rautavaara und vier Sibeliussche Chorkompositionen, jeweils mit Tanz- und Trinkliedern angereichert, huldigen der finnischen Tradition und dem Zeitgenössischen. Wo sonst als an diesem Abend erhielte man solches kompakt aus erster Hand geboten?! Starker Beifall und zwei Zugaben für den finnischen Männerchor „Ylioppilaskunnan Laulajat“. Peter Buske

Peter Buske

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