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Kultur: Stimmig

Die Swingle Singers präsentierten ihr neues Album im Nikolaisaal

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Mit dem schönen Begriff „Mundwerk“ wird ein flotter, manchmal nachlässiger oder lästernder Gebrauch der mündlichen Rede bezeichnet. Aber was ist ein Mundschlagzeug? Geht es dabei vielleicht um rhythmisch ausschlagende Lästerzungen oder um heftiges Küssen im Viervierteltakt? Wer das Konzert der Swingle Singers im begeisterten Nikolaisaal erlebt hat, wurde darüber aufgeklärt und staunte ob der ungeahnten Talente der menschlichen Stimme.

Mit ihren rein vokalen, verjazzten Interpretationen von instrumentalen Stücken aus Barock und Klassik eroberten die Swingle Singers Anfang der sechziger Jahre die Hitlisten. Wer nicht zum konservativen Kulturestablishment gehören wollte, aber auch nichts für die Beatles oder gar die Rolling Stones übrig hatte, legte die Swingle Singers auf den Plattenspieler. Deren kultivierte, schubiduuselige Verbindung von Jazz und Barock war ein Zeichen für angesagte Aufgeschlossenheit für Neues. Außerdem wirkte es charmant, wenn acht Sänger eine vierstimmige Fuge von J.S. Bach allein mit ihren Stimmen vortrugen. Die Erfindung des Amerikaners Ward Swingle, eine ausgefeilte Gesangstechnik am Mikrofon mit spielerischen Elementen zu verbinden, machte aus den Swingle Singers Weltstars.

Ihr Ruf hat sich bis heute gehalten, wie das zahlreich erschienene Publikum im Nikolaisaal bewies. Im Laufe der Zeit wurden die Sänger schon mehrfach ausgetauscht. Heute singen sie nicht mehr nur, sondern betreiben auch „Beatboxing“, das Spiel mit dem Mundschlagzeug. Erstmals in Deutschland präsentieren die vier weiblichen und vier männlichen Sänger ihr gerade erschienenes Album „Beauty and the Beatbox“. Gekleidet sind sie völlig unglamourös. Es scheint, als wollten sie zeigen, dass es bei ihnen allein auf den Gesang ankommt.

In der Tat ist der Klang der Swingle Singers ihr Markenzeichen, der flinke, filigrane, mehrstimmige Gesang von Hits und Ohrwürmern aller Genres und Stilrichtungen. Das kann Didos „Lamento“ aus Henry Purcells Oper Dido und Aeneas sein, ebenso wie der „Ungarische Tanz Nr. 5“ von Johannes Brahms oder der „Boléro“ von Maurice Ravel. Mit glockenreinem Sopran und Mezzosopran interpretieren die Damen die Melodie, beim „Boléro“ kommt auch ein Tenor als Altus zum Zuge, sogar ein Bariton. Doch überwiegend beschränken sich die Herren auf Begleitschubiduu und Beatboxing.

Kevin Fox aus Kanada und Tobias Hug aus Freiburg im Breisgau sind wahre Meister darin. Wenn die beiden schnalzen, zischeln und dum-dum singen, meint man einen veritablen Kontrabass und ein Schlagzeug zu hören. Bei einer kleinen Improvisation erfährt man jedoch, dass alles echt ist. Außerdem sei die deutsche Sprache bei dieser Art von Klangerzeugung sehr hilfreich, erzählt Tobias Hug mit einem Augenzwinkern. „Deutsch groovt“, sagt er und meint die vielen Knack-und Zischlaute. Sogar die reichhaltige Percussion einer Bossa-Nova-Band wird perfekt nachgeahmt.

Mitreißend klingt der „Libertango“ von Astor Piazolla, ebenso wie die drei Klassiker von J.S. Bach, darunter die „Badinerie“. „Das kennen Sie doch bestimmt von ihrem Handy“, fragt Tobias Hug mit feiner Ironie ins Publikum. Neben der Musik ist der Humor Trumpf bei den Swingle Singers. Ist es etwa nicht lachhaft, wenn man ständig sinnlose Silben singt und dazu allerlei Geräusche von Autohupen bis zu diversen Musikinstrumenten nachahmt? Doch sie erschließen auch tiefere Ausdrucksbereiche, wie etwa bei dem melancholischen, subtilen Arrangement der zwei Songs „Flying High / When September Ends“ zu einem Stück. Viele einzelne Auftritte zeigten zudem, dass alle acht Sänger großartige Solisten sind. Auch das ist ungewohnt im Programm der Swingle Singers, die bis heute neue Dimensionen für den Chorgesang erschließen.

Babette Kaiserkern

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