Kultur: Stimmungsmacher aus dem Delfinarium
„Frittenbude“ mit House, Punk und Hyper-Hyper-Geschrei im Lindenpark
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Singt Johannes Rögner da tatsächlich „Für euch soll’s heute ESSEN regnen“, in Anlehnung an das Lied von Hildegard Knef? Wieso denn Essen? Hat der kollektive Magen tatsächlich so laut geknurrt? Gehen die Musiker von „Frittenbude“ jetzt für ihr Publikum zur Frittenbude? Genaueres Hinhören bringt Aufklärung. Nicht Essen soll es für das Lindenparkpublikum regnen, sondern ACID. Acid oder House, diese mit dem Synthesizer produzierte Musik der 90er Jahre, etwas Punk, Elektro, „Hyper, Hyper“-Geschrei und gestreckte, gemeinschaftlich in die Luft gereckte Zeigefinger sind die Zutaten, aus denen die ursprünglich aus Bayern stammende und jetzt in Berlin lebende Elektropunkband „Frittenbude“ ihr Programm mischt.
Momentan ist sie mit ihrem neuen Album „Delfinarium“ unterwegs und macht am Mittwochabend auch im Potsdamer Lindenpark Station. Die drei Musiker scheinen allerdings etwas enttäuscht. „Ihr seid aber verdammt wenige heute Abend“ moniert Johannes Rögner, Sänger und Texter, und schneidet damit ein sehr sensibles Potsdamer Thema an. Auch die unschuldige Frage, ob Babelsberg zu Potsdam gehöre, überschreitet sicher bei einigen Anwesenden eine empfindliche Schmerzgrenze. Aber um Brennpunkte geht es nun mal bei „Frittenbude“, die von den Kritikern gern als „Antifaraver“ bezeichnet werden und die ihre Fans vor allem bei den nach 1990 Geborenen haben.
Diese bedienen mit Kapuzenshirts, hipper Kopfbedeckung oder Nasenring nicht nur den richtigen Dresscode, sondern rennen während des Konzerts auch immer wieder verschwitzt an die Bar, um sich dann mit neuem Bier erneut ganz nach vorn in die Menge zu werfen, die in synchronem Rhythmus zu den harten Basslinien springt, die Jakob Häglsperger seinem Drumcomputer entlockt. Dazu kommen Martin Steer an der Gitarre und Johannes Rögner in seinem Schreisprech, dem man besser nicht so genau zuhört. Er spricht zwar Probleme an, dümpelt aber sehr an der Oberfläche. Liedzeilen wie „Deutschland, du fühlst dich immer noch so deutsch an“ oder der Text von „Kaputt und glücklich“ entsprechen offensichtlich dem gemeinschaftlichen Gefühl dieser jungen Generation, aber das ewige Kategorisieren in „Wir“ – das sind die mit dem richtigen Lebensgefühl – und „Sie“, die anderen, die dieses unterdrücken wollen, wirken doch sehr plakativ. Trotzdem ist Frittenbude eine mitreißende Liveelektroband, beliebter Gast bei Festivals und souveräner Stimmungsmacher, der am Mittwochabend mit lebensgroßer, auf der Bühne tanzender Panda-, Delfin- und Katzenfigur das Tüpfelchen auf das I des Partypublikums setzt. Andrea Schneider
Andrea Schneider
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