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Kultur: Stolz als Waffe Potsdamer Tafelrunde

mit Peter Sloterdijk

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Kommt er, der angesehenste Philosoph Deutschlands? Oder kommt er nicht auf das Podium der Neuen Kammern, zur vom Brandenburgischen Literaturbüro, Cicero und dem Wissenschaftsministerium zweimal jährlich „gedeckten“ Tafelrunde? Hierher, wo handverlesenes Publikum sich auf Goldbestuhlung in friderizianischer Gesprächskultur üben darf. Der Denker und Erfolgsautor kam genauso auf den Punkt genau, wie er mit klarer Sprache dem Cicerochef Wolfram Weimer seine Antworten setzte. „Vom Banalen hin zum Abstrakten“, schlug Weimer den Gedankenweg zu gehen vor, doch selbst über seinen Namen versteht es Peter Sloterdijk den tieferen Seinshintergrund zu skizzieren. Peter trage die Verkleinerung, den Diminutiv ja bereits in sich, er klänge nach etwas Netten, nach „dem Kater an sich“. Sein Nachnahme sei ihm hingegen ein Rätsel, „mit Dunkelheit ausgestattet, die sich nicht auflöst“.

„Was, sie haben gedient?“ hakt Weimer ungläubig nach, als er sich beim Philosophen über die längere Zeitspanne zwischen Schule und Studium erkundigte. „Ja“, gibt Sloterdijk preis, „zweifellos keine sehr gute Idee“ sei das gewesen. „Aber man macht lieber etwas freiwillig, bevor man gezwungen wird.“ Nein, Sloterdijk ist kein genusssüchtiger Epikureer, auch wenn er für zwei Jahre der Sehnsucht folgte, ins „Morgenland“, zu Bhagwans Ashram nach Indien zu fahren.

Er, 1947 geboren, sei Mitglied der „therapeutischen Generation“, die sich auf der Suche nach dem „Neuen Menschen“ machte. Jedenfalls weiß Peter Sloterdijk seitdem, worüber er nachdenkt, wenn er von dem „Eros“ spricht, der das Denken der heutigen Psychologie präge. Dem bis heute führenden Konzept Sigmund Freuds, das den Menschen als hauptsächlich liebestriebgesteuertes Wesen auffasst, stellt Sloterdijk in seinem neuesten Buch den „Zorn“ gegenüber. Der studierte Germanist ist ein kraftvoller Wortschöpfer, der mit „Zorn und Zeit“ (Suhrkamp) ein Gedanken- und Erklärungssystem entworfen hat, das Begriffe wie „Zornbank“ und „Zornverwaltung“ in „toller Metaphorik“ (Weimer) einführt. Den Zorn, als starke Triebkraft des modernen Menschen entdeckt zu haben, sagt der Universalgelehrte nun, sei ein „ernster und titanischer“ Gegenstand. Denn „es ist der Stoff, aus dem die Katastrophen gemacht sind“. Der Zornbegriff (griechisch Thymós), so Sloterdijk, umfasse neben Rachsucht, Ehrgeiz und dem Neid auch positive Ausprägungen: den Stolz und das Gerechtigkeitsempfinden.

Weimers Fragen wollen eingehend prüfen, bringen den Meister nie ins geistige Straucheln. Gegen die Zivilisation der Wissensgesellschaft mit ihren Universitäten, macht Sloterdijk, klar, wäre der heutige Terrorismus der „zornigen jungen Männer“ nur zu „punktueller Zerstörung“ in der Lage. Zu schwach für unsere überlegene Kultur. Und wenn die Atombombe von Fanatikern eingesetzt werde, bohrt Weimer? Auch da weiß der Philosoph noch weiter. Er rät generell, Zorn umzuwandeln in seine positive Ausprägung, den Stolz. Wer nicht bloß „User“, unwissender Benutzer, sei, wie der Normalbürger mit seinem Handy oder der Terrorist der sich die Bombe beschafft, sondern Erfinder zum Beispiel, habe den Weg zum „Können“ gefunden. Und das Produzieren, die elementarste Form der Menschenwürde, fördere nun mal den Stolz.

„Der Konflikt der Zivilisationen“, so gab Sloterdijk optimistisch dem nachdenklichen Publikum mit auf den Weg, werde in einen „zivilisatorischen Konflikt“ überführt werden können, mit der „Idee des Könnens“ im Zentrum.

Matthias Hassenpflug

Matthias Hassenpflug

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