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Kultur: Strahlende Aussichten

Orgelkonzert mit Klaus-C. van den Kerkhoff

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Orgelkonzert mit Klaus-C. van den Kerkhoff Wenn er schon nicht der Schöpfer der organistischen Choralvariation ist, so kommt dem Hallenser Samuel Scheidt (1587-1654) wenigstens das Verdienst zu, diese Form konsequent ausgebaut zu haben. Seine diesbezüglichen Erfindungen in der Klingkunst hat Scheidt vor allem im 3. Teil seiner „Tabulatura nova“ niedergelegt. Diese und andere Choralvariationen geben dem gescheit konzipierten Programm von Klaus-C. van den Kerkhoff (Aachen) im Rahmen des Potsdamer Orgelsommers die rotfädrige Richtung vor. Die Schuke-Orgel der Erlöserkirche ist für die Erkundigungen durch Barock, Romantik und Moderne vorzügliches Medium. Das erstaunlich gut besuchte Konzert beginnt mit einem Scheidtschen „Tabulatur“-Stück, das getreu der Spielanweisung „Eine Manier dem ganzen vollen Werck mit dem Pedal zu spielen“ majestätisch aufrauscht. Dagegen verlangt die Variation über den naiven Choral „Jesus Christus unser Heiland, der von uns den Gotteszorn wand“ nach weichen Registern. Was liegt da näher, als für das Sangliche die „Vox humana“-Stimme zu ziehen?! Dann wandert der Choral durch die vier menschlichen Stimmgruppen. Im Tenor, beispielsweise, klingt es lieblich und bewegt, im Bass entsprechend tief und schnellfüßig. Die diversen Flötenregister der Schuke-Orgel bekommen reichlich zu tun. Choralisches steuert auch Johann Sebastian Bach mit dem (kurzfristig gegen einen anderen ausgetauschten) Choral „Von Gott will ich nicht lassen“ BWV 658 bei, der filigran und klangziseliert erklingt. Dazu kontrastieren im Verlauf des Konzerts auf vorzüglichste Art zwei Orgelstücke aus der Feder von Johannes Brahms, die barocken Vorbildern verpflichtet und dem Raritätenfundus zuzurechnen sind. In Präludium und Fuge g-Moll zeigt sich ersteres ausgesprochen virtuos, weil es sehr flink gespielt wird und durchdringend ertönt. Fern des Altmeisterlichen, geradezu tänzerisch beschwingt zeigt sich die Fuge. Um den Gefühlsbibber des verinnerlichten Choralvorspiels „Schmücke dich, o liebe Seele“ richtig wirken zu lassen, verwendet der Organist natürlich den Tremulanten. Von altersher entpuppen sich die „Inventionen“, deren zweistimmige Bach-Versionen noch heute jedem Klavierschüler zu Nutz und Frommen aufgegeben sind, als kurze, meist polyphone „Erfindungen“. Der Heidenheimer Kantor Helmut Bornefeld (1906-1990) hat eine Menge davon komponiert – acht von diesen dissonanzenreichen Klang-„Erfindungen“ spielt van den Kerkhoff mit viel Gespür für den oftmals kuriosen Zuschnitt dieser Miniaturen. Bachs Ingenium findet sich an diesem Orgelsommerabend selbst in der kleinsten, namenlosen Notenniederschrift! Wer sich jedoch im Werktitel auf des Meisters Schöpfergeist beruft, müsste uns Gewichtiges zu sagen haben. Robert Schumann tut es mit seiner Fugensammlung über den Namen Bach op. 60, woraus Nr. 4 als mäßig langsame, sich allmählich Lautstärke und Erhabenheit gewinnende Hommage ertönt. Franz Liszt Präludium und Fuge über B-A-C-H ist da von klanggewichtigerem Kaliber. Romantisch verschwenderisch und von kraftdonnernder Virtuosität breitet es sich aus: klar und durchdringend, scharf getönt, vielfarbig registriert. Die Wiedergabe gleicht einem Klanggebäude aus der Gründerzeit: karg im Souterrain, opulent mit schweren Eichenmöbeln ausgestattetetem Herrensalon, strahlender Aussicht von der Dachterrasse über Herrlichkeiten der Bachschen Klanglandschaften. Nächstes Orgelkonzert am 3. August, 19.30 Uhr in der Friedenskirche Sanssouci mit Josef Miltschitzky, Ottobeuren. Es erklingen Werke von Franck, Boellmann und Widor.

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