Kultur: Strahlkräftig, schwingend und schön Weihnachtsoratorium in der Erlöserkirche
Vor der Erlöserkirche in Potsdam-West wimmeln am Samstag die Menschen, viele Kinder springen herum. Die Auslagen der rund um den Platz aufgebauten Stände mit Kunstgewerbe und Naschereien locken zum Schauen, Gesprächsfetzen und vergnügtes Lachen erklingen.
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Vor der Erlöserkirche in Potsdam-West wimmeln am Samstag die Menschen, viele Kinder springen herum. Die Auslagen der rund um den Platz aufgebauten Stände mit Kunstgewerbe und Naschereien locken zum Schauen, Gesprächsfetzen und vergnügtes Lachen erklingen. In der restlos gefüllten Kirche dann herrscht freudige Erwartung, die sich beim ersten Klang der Paukenschläge, Flötentriller und Trompetenfanfaren in andächtiges Lauschen wandelt.
Die alljährlichen Aufführungen von Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium in der Vorweihnachtszeit bilden einen geselligen Eckpfeiler für die Anwohner des familienreichen Wohnviertels und locken auch immer mehr Besucher von außen an. Wie üblich wurden am Samstag die Kantaten I-III gleich zweimal hintereinander gespielt, wobei die erste nicht nur mit rund 100 Sängern der Potsdamer Kantorei aufwartete, sondern noch dazu mit 36 kleinen Mitwirkenden der Kinder- und Jugendkantorei.
Alle zusammen, in Schwarz und Rot gekleidet, passen gerade mal auf die Treppchen unter den drei neugotischen Spitzbögen des Altarraums, über dem ein heller Herrnhuter Stern leuchtet. Unter der bewährten Leitung von Ud Joffe, dem musikalischen Leiter an der Erlöserkirche, spielt das Neue Kammerorchester Potsdam in großer Besetzung, strahlkräftig, schwingend und klangschön. Selten gerät die Begleitung ein wenig zu uhrwerkhaft, ganz überwiegend fallen präzise Phrasierung und subtile Solopassagen ins Ohr.
Ganz glückliches Idyll ist die Sinfonia mit ihrem steten, wiegenden Wechsel zwischen aufblühenden Streichern, die das himmlische Wunder verkünden, und den bewegt säuselnden Holzbläsern der lauschenden Hirten. Überaus anmutig umspielt die Flöte die Engelsstimme im Sopran-Accompagnato der Verkündigung. Markant und weich zugleich ertönen die Trompeten, wobei das Solo in der Bass-Arie „Großer Herr“ besonders prächtig hervorsticht. Bass Raimund Nolte ist stimmlich in Hochform, auch die Altistin Regina Jacobi verleiht ihren drei großen Arien warmen Glanz. Als Evangelist überzeugt Tenor Joo-Hoon Shin mit heller, starker Stimme, wenn auch gelegentlich mit etwas viel Tremolo. Vom lieblichen Sopran der jungen Sängerin Dana Marbach war partiturbedingt nur wenig zu hören, er fiel jedoch sehr angenehm im Duett mit dem Bass auf. Eine Hauptrolle spielen indessen die großen Choräle, denen die Potsdamer Kantorei mit makelloser Artikulation und sinnreicher Phrasierung prachtvollen Ausdruck verleiht.
Hier zeigt sich erneut die aus jahrelanger Zusammenarbeit unter der engagierten Leitung von Ud Joffe erwachsene homogene Klangkultur des Ensembles Potsdamer Kantorei. Die hellen, reinen Stimmen der Kinder- und Jugendkantorei (Einstudierung: Sophie Malzo) verleihen den Chorälen eine besonders innige, engelsgleiche Färbung. Geradezu stürmischer Beifall belohnt schließlich diese überaus gelungene Aufführung des Weihnachtsoratoriums in der Potsdamer Erlöserkirche. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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