Kultur: Streicheleien für die Seele
Seine Orchestersuiten seien stark französisch inspiriert, „wo er doch provinziell aufgewachsen ist“, lässt Moderator Clemens Goldberg die Hörer beim „Klassik am Sonntag“-Konzert mit den Brandenburger Symphonikern unter der inspirierenden Leitung von Michael Helmrath im Nikolaisaal wissen. Es erklingen ausschließlich Werke von Johann Sebastian Bach, deren festlich-jubilierender Charakter zur Vorweihnachtszeit passt.
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Seine Orchestersuiten seien stark französisch inspiriert, „wo er doch provinziell aufgewachsen ist“, lässt Moderator Clemens Goldberg die Hörer beim „Klassik am Sonntag“-Konzert mit den Brandenburger Symphonikern unter der inspirierenden Leitung von Michael Helmrath im Nikolaisaal wissen. Es erklingen ausschließlich Werke von Johann Sebastian Bach, deren festlich-jubilierender Charakter zur Vorweihnachtszeit passt. Den ersten Teil bestimmen zwei Orchestersuiten, in denen sich Französisches durch gravitätisches Schreiten manifestiert. Zuvörderst in der Ouvertüren-Einleitung zur C-Dur-Suite BWV 1066. Die meisten Tanzsätze, wie Bourrée, Gavotte, Menuett und Passepied gibt es im Doppelpack: zuerst à la Francaise, dann in weich getönterer, besser-wissender Bachschen Art und Weise. So folgt beispielsweise einem höfischen, streng geformten und klingenden Menuett die bürgerlich-unkonventionellere Les- und Lebensart.
Die Brandenburger Musiker wissen die Unterschiede klanglich dezent, dennoch sehr nachdrücklich zu verdeutlichen. Dabei ist den Streichern nebst dem Cembalo-Continuo ein Holzbläsertrio mit zwei Oboen und Fagott zur Seite gestellt. Alle spielen auf modernen Instrumenten, wissen um die Erfordernisse historisierender Musizierweise, bringen alles in ein klanglich überzeugendes Gleichgewicht. Nichts da mit zeitaufwendigen Nachstimmarbeiten! Man verwendet nur sparsames Vibrato, musiziert leicht und lebendig, liebt einen klaren und warmen Klang, zeigt sich nie misstönig und wählt durchweg „atmende“ Tempi. Herz was willst du mehr?!
Doch auch der Verstand wird gefordert. Er erkennt auch ohne dirigentischen Zeigefinger, wie und wann konzertierende Elemente auftreten, sich aus paarigen Achtelgruppen die doppelten Gegenstimmen von zweiten Violinen und Bratschen entwickeln, reizvolle Farbkontraste Wesentliches zur Charakterverstärkung beisteuern. Eine ähnlich wissende Musizierhaltung um formvollendetes Schreiten, Hüftwiegen, Schweben, Schwanken und Hüpfen verhilft auch der D-Dur-Suite BWV 1068 zu ihrem Glanz. Trockene Paukenwirbel und dreifaches Trompetenstrahlen sorgen einleitend für verschwenderische Pracht. Der folgende „Air“-Hit wird innig und ohne romantisierenden Kitsch gespielt - Streicheleinheiten für die Seele. Zwischen Leichtigkeit und Gesetztheit finaljubelt die Gigue mit Pauken und Trompeten.
Wie geendet so nach der Pause begonnen: mit dem festlichen „Magnificat“-Lobgesang der Maria über die ihr verkündigte Geburt Jesu: „Meine Seele erhebet den Herrn“. Aufgeführt wird die sängerfreundliche D-Dur-Version BWV 243 mit vier weihnachtlichen A-cappella-Einlagesätzen aus der frühen Es-Dur-Fassung. Der von Ud Joffe vorzüglich einstudierte Neue Kammerchor Potsdam singt sie und den lateinischen Liturgietext mit gleicher Hingabe: sehr klar, mit leuchtender Stimmpracht, analytisch und sauber, beweglich, voller strahlender Intensität. Eine 16-teilige Schilderung aller denkbaren menschlichen Zustände, die sich als einprägsames Seelenfresco aus barocken Farben, mit opernnahen Bekundungen und jubilierender Anrufung der Ewigkeit. Aus dem Solistenquintett ragen der vor metallischem Strahlen nur so strotzende Tenor von Erwin Feith, der tiefensichere Bass von Tobias Berndt sowie der klare und hell tönende Sopran von Katherine Weber hervor. Dem transparenten und gefühlsinnigen Musizieren dankt intensiver Beifall. Peter Buske
Peter Buske
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