zum Hauptinhalt

Kultur: Streifzug durch die Buddenbrooks Von Düffel über Thomas Mann in Villa Quandt

Dass sich die großen Romane Thomas Manns längst als gefeierte Bühnenversionen in vielen deutschen Theatern wiederfinden, ist wohl vor allem ein Verdienst John von Düffels. Wie kaum ein Zweiter versteht es der überaus produktive Autor und Dramatiker beliebte Romane, sei es Émile Zolas „Geld“, Joseph Conrads „Herz der Finsternis“ oder auch Uwe Tellkamps „Turm“, bühnentauglich zu gestalten und damit nebenher voll im Trend zu liegen.

Stand:

Dass sich die großen Romane Thomas Manns längst als gefeierte Bühnenversionen in vielen deutschen Theatern wiederfinden, ist wohl vor allem ein Verdienst John von Düffels. Wie kaum ein Zweiter versteht es der überaus produktive Autor und Dramatiker beliebte Romane, sei es Émile Zolas „Geld“, Joseph Conrads „Herz der Finsternis“ oder auch Uwe Tellkamps „Turm“, bühnentauglich zu gestalten und damit nebenher voll im Trend zu liegen. Bei der Beschäftigung mit den „Buddenbrooks“ sei diese Theatermode aber eher der äußere Anlass gewesen. Denn von Düffel liebt die Romane Manns – eine Liebe, die die gut 60 Gäste am Samstagabend im Kaminsaal der Villa Quandt gern mit ihm teilten.

Es ist eine Freude, mit welcher Lebhaftigkeit und Begeisterung dieser Herr mit der randlosen Brille sein persönliches Interesse für „Die Buddenbrooks“ erklärt. Thomas Manns nobelpreisgekrönter Debütroman sei als Gesellschaftsroman weniger ein nostalgisches Buch, sondern als quasi Wirtschaftsroman eben die Geschichte eines zerfallenden Bürgertums, das traditionsbesessen an einer erstarrten Ökonomie scheitert und von einem neuen, flexibleren Unternehmertyp abgelöst wird. Da hat der Romanstoff seinen aktuellen Bezug, die Stärke wahrer Klassiker. Der Niedergang der Buddenbrooks, die ihr Familienglück stets am Wert der Firma messen, zeige sich, so von Düffel, am eindrucksvollsten am Schicksal der drei Geschwister Tony, Thomas und Christian. Es ist jener Ansatz, den er auch 2005 für seine Theaterfassung des Romans schon wählte und der ihn an diesem Abend zu bisweilen beherzt ausufernden Einzelporträts kommen lässt. Es seien alle drei extrem bürgerliche Figuren, jede auf ihre Weise eine Tragödie der Affirmation spielend, gefangen in ihrer Selbstverleugnung, Konfliktunfähigkeit und dem zwanghaften Repräsentieren einer Pseudo-Aristokratie. Tragisch also ist die Rolle des ältesten Sohns Thomas, der von Kindesbeinen an zum Juniorchef gedrillt und zum kühlen Fassadendarsteller erzogen worden ist. Sein Dasein endet, bitter ironisch, im Schmutz der Gosse. Nur scheinbar eine Kontrastfigur ist Tony, seine lebenslustige Schwester, will doch auch sie, als hohe Kaufmannstochter, der Familientradition genügen und kann später nicht einmal erkennen, dass sie an ihren beiden, schlechterdings peinlichen Ehekomödien sogar unschuldig ist. Und in der Unfähigkeit, Nein zu sagen und ernsthaft zu sein, lastet schließlich auch eine Tragik auf Christian Buddenbrook, der auf Clownerien verfällt, oberflächlich und willenlos wird, sich im Kranksein einzurichten beginnt und endlich im Irrenhaus landet. Nicht erst am Ende dieser reichhaltigen Analysen, die von Düffel nur gelegentlich mit kurzen, markanten Textstellen unterlegt, wird klar, wie sehr ihn dieses Geschwistertrio als Bühnenfiguren gereizt haben muss. Und nicht weniger verlockend sei es für den Romandramaturgen, recht unkonventionell und effektiv mit der Originalsprache seines Lieblingsautors zu arbeiten. Er wolle sich mal überraschen lassen, wie nächsten Monat in Lübeck, „Doktor Faustus“, seine neueste Mann-Bühnenversion aufgenommen wird.

Mit welchem Thomas Mann-Roman John von Düffel seine Vortragsreihe in der Villa Quandt demnächst fortsetzen wird, blieb nach dieser gelungenen Auftaktveranstaltung vorerst offen. Aber es gebe da ja glücklicherweise noch so manchen interessanten „Brocken“. Daniel Flügel

Die nächste Veranstaltung des Brandenburgischen Literaturbüros in Potsdam: am 30. Oktober um 20 Uhr liest Ulrich Noethen in der Druckerei Rüss aus Tolstois „Krieg und Frieden“. Karten unter (0331)2804103.

Daniel Flügel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })