Kultur: Strickleiter der Klänge
Streichtrios aus Klassik und Moderne in der „Stunde der Musik“
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Streichtrios aus Klassik und Moderne in der „Stunde der Musik“ Oft stehen reine Streichtrios im Schatten des Konzertrepertoires und kommen neben ihren Geschwistern, den Quartetten und den Kombinationen aus Streichern mit Klavier, weniger zur Geltung. Doch auch unter ihnen finden sich Kleinode, die ebenso viel Kompositionskunst und musikalischen Einfallsreichtum ihrer Schöpfer offenbaren können wie größer angelegte Werke. Ein herausforderndes Konzert mit Streichtrios der Klassik und der Moderne erlebten die Zuhörer bei der „Stunde der Musik“ im Foyer des Nikolaisaals. Florian Donderer, Violine, Elisabeth Kufferath, Viola, und Tanja Tetzlaff, Cello, setzten Maßstäbe für die zeitgenössische Interpretation dieser intimen Gattung. Vor allem beeindruckten sie durch die scheinbar mühelose Wiedergabe von drei anspruchvollen Werken. Bis zum letzten Ton hielten sie die Spannung aufrecht und überzeugten mit makellosem Zusammenspiel. Wenn Ludwig van Beethoven die Tonart c-moll verwendet, kann man düstere Stimmung und ernstes Verharren erwarten. Auch sein Streichtrio op. 9, Nr. 3 in c-moll zeigte viel Beethoven pur von den Irrlichtern im geisterhaften Beginn bis hin zum verlöschenden Pianissimo-Schluss des Final-Satzes. Ein filigranes, spannungsreiches Klanggewebe, voller Pausen, umstandslos abgebrochener Motive und zwanghaftem Wiederanfangen. Seufzer, Brüche und Ausbrüche verschatteten auch das expressive Adagio trotz seiner Dur-Tonart. Lange, subtil aufgebaute Crescendi erhoben sich wie Gipfelhöhen aus den schwankenden Strickleitern der Klänge von Violine, Viola und Cello über dem allgegenwärtigen dunkel spürbaren Abgrund. Widerborstig grummelnd, mit derb stampfendem Rhythmus erklang das Scherzo - trotz milderem Mittelteil - wahrlich kein gefälliges Stück. Beethovens rationale, experimentelle Tonsprache setzte sich in Paul Hindemiths Trio für Violine, Viola und Violoncello, Nr. 1, op. 34 fast nahtlos fort. Der alten Form hauchte Hindemith neues Leben ein, indem er auf noch ältere Formen wie Toccata und Fuge zurückgriff und zugleich seiner ikonoklastischen Tonsprache unterwarf. Für die Musiker finden sich hier ungeheure virtuose Herausforderungen, die Höchstleistungen verlangen. Im hochfliegenden Adagio ergänzten sich der feine, gleißende Violinton von Florian Donderer mit dem weichen, schmelzenden Viola-Klang von Elisabeth Kufferath und der verhaltenen Vehemenz des Cellos von Tanja Tetzlaff überaus klangvoll. Das originelle Scherzo und besonders die avantgardistische Fuge brachten die reiche Musikalität, brilliante Technik und subtile Tonbalance der jungen Musiker hervorragend zur Geltung. Eigentlich war es Wolfgang Amadeus Mozart, der das Streichtrio aus der Taufe gehoben hatte und dabei zugleich ein unübertroffenes Meisterwerk schuf. Sein Divertimento für Streichtrio in Es-Dur KV 563, drei Jahre vor seinem Tod ohne bekannten Anlass geschrieben, steht singulär da. Jeder einzelne der sechs Sätze ist für sich dermaßen vollendet musikalisch gestaltet, dass er auch heute noch unmittelbar wirkt und anspricht. Überraschende Wendungen, erwartete Wiederholungen, originelle Einfälle und virtuose Variationen ziehen den Hörer permanent in ihren Bann. Oftmals hat die Violine den Hauptpart, wird gar zum Soloinstrument. Florian Donderer spielte bis zum Schluss mit bewunderungswürdiger Energie und Klangfülle, anmutig, bewegt, tänzerisch und virtuos. Zu einem veritablen Nachtstück in E. T. A. Hoffmanns Manier geriet das Adagio mit schmerzlichen Cello-Untiefen, zart getupften Violintrillern und warmer Bratschenstimme. Die begeisterte Mozart-Verehrung des romantischen Dichters konnte beim Anhören unmittelbar nachempfunden werden. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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