Kultur: Studentenband versagte im Spartacus
Dissonanz ist das Salz in der Suppe der Harmonie, sie macht die Musik erst richtig interessant. Jede Band, die sich auf Dauer in den Gehörgängen des Publikums festsetzen will, versucht sich daran zu halten.
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Dissonanz ist das Salz in der Suppe der Harmonie, sie macht die Musik erst richtig interessant. Jede Band, die sich auf Dauer in den Gehörgängen des Publikums festsetzen will, versucht sich daran zu halten. Es gibt aber auch Gruppen wie „Halb9“ aus Potsdam, die die Hörgewohnheiten des Publikums derart mit schrägen Tönen strapazieren, dass durchaus melodiöse Hooklines fast überhört werden. Was bei Indie-Noise-Bands wie „Sonic Youth“ funktioniert, wirkt bei Halb9 wie Unvermögen, so als hätten sie die Suppe versalzen. Unstrukturiert und zerfahren klingen viele Songs, die am Donnerstagabend im Spartacus dargeboten werden. Rhythmuswechsel und Breaks zerpuffen im eintönigen und verkrampften Spiel von Schlagzeuger Sven Heinrich, der zwar mit schwarzen Drumsticks wie der Schlagzeuger von Metallica spielt, aber von dessen natürlichem „Groove“ weit entfernt ist. Die Refrains sind mit soviel Text überladen, dass diese beim Publikum einfach nicht zünden. Dabei schreibt Sebastian Pfeiffer, der Gitarrist und Sänger, nette abwechslungsreiche Songs über Zwischenmenschliches, Konsumkritik oder Politikverdrossenheit – mal augenzwinkernd, mal melancholisch und auch deftig. Doch wenn die Hälfte des Gesanges im Sound untergeht, ist das immer ein Ärgernis. Es gibt nur wenige Momente, wie das im Duett zwischen Pfeiffer und Bassist Silvio Miethke gehaltene „Was habe ich falsch gemacht?“, die auch radiotauglich sind und sich in den Ohren des Publikums festsetzen. Quo vadis, Halb9? Die Band weiß oftmals nicht, wo sie mit ihrer Musik hinwill. Daran kranken heutzutage viele Schüler- und Studentencombos – sie wollen sich nicht in Schubladen stecken lassen. Doch auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig tanzen, das fällt ihnen schwer. „Schrammelrock kommt bei euch wohl nicht so gut an“, stellt Silvio Miethke nach einigen Punknummern fest. Andere Stücke erinnern an die „Hamburger Schule“, eine bei Studenten und Musikintellektuellen beliebte Richtung mit Blumfeld, den Sternen und Tocotronic an der Speerspitze. Die meiste Zeit klingen Halb9 aber nach anstrengendem Indierock. Im September 2002 hatte sich das Trio formiert. Vermutlich haben sie schon bessere Konzerte gegeben, die auch gut besucht waren. Denn vor etwa 50 Leuten im Spartacus lässt Sebastian Pfeiffer immer wieder seinen Unmut über das „standhafte“ Publikum aufblitzen. Nach fünfzig Minuten fragt er mit bissigem Unterton: „Wollt ihr noch? Sollen wir noch? Bringt das wirklich was?“ Ein so zaghaftes „Ja“ von den Groupies hatte er sicher nicht erwartet. Silvio Miethke ist in diesem Punkt professioneller. Unverdrossen versucht er mit witzigen Ansagen das Publikum wachzurütteln. Doch dieses reagiert den ganzen Abend verstimmt. Nicht einmal eine durchaus gut gemachte Volksmusikparodie, bei der Pfeiffer ansprechend auf einer Mundharmonika spielt, hat die erhofften Lacher. So endet der Abend, wie er angefangen hatte – mit einer gerissenen Gitarrensaite.Patrick Steller
Patrick Steller
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