Kultur: Stürme der Leidenschaften
Michael Helmrath dirigierte das Brandenburgische Staatsorchester beim Sinfoniekonzert im Nikolaisaal
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Michael Helmrath dirigierte das Brandenburgische Staatsorchester beim Sinfoniekonzert im Nikolaisaal Unter Sergiu Celibidache, dem legendären Spezialisten für Anton Bruckner, ist Michael Helmrath als langjähriger Solo-Oboist bei den Münchner Philharmonikern mit den Werken des österreichischen Supersinfonikers groß geworden. Seit nunmehr fünf Jahren Chefdirigent der Brandenburger Symphoniker, ist ihm die Bruckner-Liebe geblieben. Doch mit seinem eher klein besetzten Orchester ist dieser Neigung nicht zu entsprechen. Nun stellte sich ihm das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt mit seinen diesbezüglichen Erfahrungen und in Großbesetzung zur Verfügung. Die Neugierde der Musiker und des Publikums darauf ist groß, der Nikolaisaal bei diesem 2. Sinfoniekonzert fast ausverkauft. Ein gutes Omen für die Frankfurter. Sie haben sich in veränderter Sitzordnung auf das Podium begeben, bei der sich erste und zweite Geigen gegenüber sitzen, dazwischen die Celli, hinter ihnen die Kontrabässe, dann die Bratschen. Es ist die gute alte deutsche Sitzordnung. In ihrer asymmetrischen Anlage soll sie der besseren Klangmischung dienen. Beide Stücke des Abends stehen in Es-Dur. Ein Zufall? Kaum, denn Michael Helmrath ist für wohldurchdachte Zusammenstellungen bekannt. Dieser Tonart wird ein Ausdruck von „Liebe, der Andacht, des traulichen Gesprächs mit Gott“ nachgesagt. Vieles davon findet sich im Bruckner-Mozart-Angebot wieder. Lange 77 Minuten braucht der Dirigent, um die sich immer neu aufwuchtenden, vielgliedrigen Gipfel des Bergmassivs von Bruckners 4. Sinfonie „Romantische“ zu erreichen. Langweilig wird es dabei nie. Er spannt weite Bögen. Sie sind fest gefügt, dennoch elastisch und extrem belastbar. Nach geheimnisvollem Streichertremolo und kraftvollem Hornsolo (Eckhard Schulze) breitet sich heimelige Naturlyrik aus. Beim Aufstieg ist der „zi-zi-bee“-Ruf der Kohlmeise stets gegenwärtig. Dann folgt eine Klangkulmination der nächsten. Überlegen steuert Michael Helmrath das vielfältig verwobene Geschehen. Dabei strahlt das Blech aus allen Rohren, koloriert das Holz die gefühlvollsten Eindrücke in warmen Farben, wispern die Streicher romantische Waldesidylle. Aufgelichteter Wohlklang ist ausnahmslos angesagt. Der Dirigent gibt der Musik die nötige Zeit zum Atmen. Kein Verschleppen, kein Zelebrieren stört den sich breit entfaltenden Melodienstrom. Ausdrucksintensiv und in großer Ruhe singt sich das trauermarschähnliche Andante aus, fast lärmend ziehen die ländlerartigen Jagdszenen des Scherzos vorüber. Vibrierend vor innerer Spannung lässt Helmrath im Finale die dramatischen Entwicklungen sich entladen. Triumphal endet das Opus, das immer wieder zu Oasen stiller Größe, die wie von innen leuchten, führt. An solchen Vorzüglichkeiten mangelt es über weite Strecken der insgesamt langweilig-belanglosen Wiedergabe von Mozarts Klavierkonzert Nr. 9 KV 271 „Jeunehomme“ durch die philippinische Solistin Cecile Licad. Ungeschmeidig ist ihr Anschlag, kaum differenziert. Im Andantino richtet sie den Blick immer wieder nach oben. Doch auch aus himmlischen Höhen naht keine Inspiration. Ohne prickelnde Pointierungen tastatiert sich Cecile Licad durch das Zwiegespräch mit dem Orchester. Fern von Leichtigkeit und sprühender Grazie rückt die prosaische Geschichtenerzählerin ihren Part in chopineske Beethovennähe. Dem heftig applaudierenden Publikum donnert sie als Zugabe Rachmaninows g-Moll-Prelude entgegen.
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