Kultur: Stürmend und drängend
Schlosskonzert der Kammerakademie
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Von seiner hageren Erscheinung, seinen präzisen, aber auch exaltiert, elegant bis ungelenk wirkenden Gesten, seinem zuweilen affektierten körperlichen Einsatz geht eine suggestive, mitunter sogar dämonische Wirkung aus. So muss Paganini gewesen sein – assoziiert die Rückenansicht und Körpersprache des Dirigenten Federico Maria Sardelli, der anstelle des erkrankten Sergio Azzolini kurzfristig den Saisonstart für die Schlosskonzerte der Kammerakademie im Neuen Palais vollzog. „Sturm und Drang“ nannte sich das Programm, bei dem – wie passend an diesem Orte – zwei Flötenkonzerte aus vorklassischer Zeit von zwei Haydn-Sinfonien gerahmt wurden.
Von den Musikern stand dabei zu erwarten, dass sie nicht dem gemütlichen, brav-biederen Papa Haydn ihre Reverenz erweisen würden, sondern dem Papa – Betonung auf der zweiten Silbe. Jener selbstbewussten, das musikalische Neuererwesen voranbringenden, Achtung gebietenden und in sich ruhenden Persönlichkeit, der einem väterlicher Freund, Vertrauter, Lebensbegleiter sein kann. Leidenschaftlich, düster, drängend und schmerzerfüllt zeigt sich seine Sinfonie Nr. 49 f-Moll, die deshalb nicht zu Unrecht den Beinamen „La passione“ trägt. Straff, fast kurz angebunden wird sie in einem geschärften Redetonfall phrasiert. Es setzt scharfe dynamische Kontraste und stark akzentuierte Modulationen. Zum Atemanhalten. Dabei sucht der Dirigent die Musiker mit seinen anspornenden, schlangenbeschwörerischen, bisweilen auch schulmeisterlich wirkenden Bewegungen, die einer Choreographie pantomimischen Zuschnitts nicht unähnlich sind, zu befeuern. Das gelöst musizierte Menuett tanzt er gleichsam vor. Entfesselt jagt das Presto vorüber. Raketengleich zündet er in der abschließend erklingenden „Feuersinfonie“ (Nr. 59 A-Dur) die akkordischen Repetitionen, lässt sie in einem Feuerwerk der harmonischen Veränderungen funkelnd zerplatzen. Langeweile kommt da nirgends auf. Im Schlendergang, dann wieder kräftigen Schritts geht es durch die vier Sätze. Mit ihren offenen Schlüssen überraschen sie auf angenehmste Weise. Sehnsuchtsvoll singt sich das „Andante o pìu tosto Allegretto“ aus. Ihn, wie auch die langsamen Sätze der Solokonzerte, dirigiert Federico Maria Sardelli im Sitzen – um seine roten Socken dem Publikum vorzuzeigen?!
Von den Flötentönen, die sich in diesem friderizianischen Ambiente gar anmutig entfalten, geht eine bezwingende Wirkung aus. Zu danken sind sie Pirmin Grehl, Soloflötist des Berliner Konzerthausorchesters, der das königliche Instrument virtuos zu handhaben versteht. Sein drängendes Musizieren in Carl Philipp Emanuel Bachs Flötenkonzert d-Moll Wq 22 harmonisiert mit dem der Kammerakademie auf’s Vorzüglichste. Sein Ton ist schlank, gefällig und biegsam, sein Atem geht anhaltend gleichmäßig. Dem Stürmen und Drängen der Ecksätze ist ein elegisches bis empfindsames Andantesingen eingeschlossen.
Nicht weniger brillant bläst Grehl das e-Moll-Konzert für Flöte, Streicher und Basso continuo von Franz Xaver Richter (1709-1789), mit dem einer der Hauptvertreter der „Mannheimer Schule“ Abschied vom spätbarocken Stil nimmt und die Tür zur klassischen Komponierweise aufstößt. Der Solopart tiriliert und trillert, seufzt, rankt sich ornamentenreich um das Streicherfundament, wetteifert in lebhaftesten Figurationen mit dem Orchester. Beide wissen viel mit sich und gegenseitig anzufangen. Viel Beifall.
Peter Buske
Peter Buske
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