Kultur: Subtiler Sinn für Humor
Ausstellung von Olav Westphalen im Brandenburgischen Kunstverein
Stand:
Hier ein Schäferhund, der folgsam ein Leiterchen erklimmt, dort ein Tiger mit „artgerechtem“ Spielzeug zwischen den Tatzen. Großformatige Aquarellzeichnungen in Schwarz-Weiß-Grau schließen sich zu einem achtteiligen Bilderreigen um eine zentral im Raum positionierte Dressurleiter auf Podest herum. Ein für eine Kunstgalerie zugegebenermaßen eher ungewöhnliches Arrangement. Hinter diesem anspielungs- und beziehungsreichen Szenario verbirgt sich indes alles andere als ein Tiermaler. Olav Westphalen (Jahrgang 1963), mit dem der Brandenburgische Kunstverein das neue Ausstellungsjahr eröffnete, zählt zu den vielseitigsten international agierenden Künstlern seiner Generation.
Bekannt geworden ist der gebürtige Hamburger, der seit rund zehn Jahren in New York seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt gefunden hat, für seine Zeichnungen, auch Cartoons, und später im zunehmendem Maße für seine Installationen, Performances und bildhauerischen Arbeiten. Allseits geschätzt wird Westphalen gerade für seinen subtilen Sinn für Humor und für seinen insgesamt kritischen Geist, mit der er in seiner Kunst Beobachtungen und Ereignisse reflektiert. In der Potsdamer Ausstellung mit dem mehrdeutigen Titel „The Disciplines“ wird das, was den künstlerischen Ansatz Olav Westphalens auszeichnet, anhand von zwei Werkgruppen nachvollziehbar.
In fast schon gebrochenem Deutsch mit amerikanischem Einschlag erzählt der Künstler, wie für ihn seinerzeit die Berichterstattung rund um Afghanistan zum Auslöser für die im Eingangsraum des Kunstvereins gezeigte Arbeit wurde. In der Zeit, als in den USA Bilder von der Verhaftung John Phillip Walker Lindhs, diffamiert als „amerikanischer Taliban“, durch die Medien gingen, sprangen Westphalen die in den amerikanischen Zeitungen auffällig häufig abgedruckten Fotos gefangener Tiere ins Auge. Die Parallelität zwischen der Inhaftierung und Beugung des zum Vaterlandverräter stigmatisierten Lindh mit der Bildwelt zur Abrichtung freigegebener, domestizierter Dressurtiere setzte in dem Künstler eine Assoziationskette rund um das Thema Disziplinierung, Unterwerfung und menschlicher Ausbruchsversuche daraus in Gang. Presseagenturfotos und andere geeignete Bildvorlagen – wie Versandkatalogillustrationen aus dem Bereich der Hundedressur – bildeten das Ausgangsmaterial. Ähnlich wie in einer Collage montierte der Künstler die einzelnen Bildzitate aus unterschiedlichem Kontext zu einer neuen Realität und Gesamtaussage zusammen.
Eine andere Spielart des Themas „disciplines“ stellt Olav Westphalen im oberen Ausstellungsraum zur Diskussion.
Die Rauminstallation mit dem Titel „Popular Ceramics“ aus dem Jahr 2004 sucht und untersucht Antworten auf die Frage, was genau ein Kunstwerk eigentlich ausmacht. Inspiriert durch die noch sehr mittelmäßigen keramischen Arbeiten junger Kunststudenten, die Olav Westphalen an einer amerikanischen Kunsthochschule in einem Lagerregal aufstöberte, trieb er besagte zaghafte Gehversuche der angehenden Keramiker in einer Art Experiment konsequent weiter. Er hat die Fundstücke zunächst fotografiert, dann in großformatige Zeichnungen übertragen und schließlich in eigenen plastischen Arbeiten in gewisser Weise paraphrasiert.
Die Fachdisziplin Keramik der betroffenen Hochschule fühlte sich damals vorgeführt und reagierte entsprechend. Dabei ist „Popular Ceramics“ im Grunde nichts anderes als eine Koketterie mit Trivialität auf der einen Seite und der nicht immer eindeutig zu definierenden Grauzone zwischen Dilettantismus und akzeptierter Kunst. Ironie, Provokation und Zweideutigkeit im Sinne von bewusst gewählter Unentschiedenheit sind die Ausdrucksformen, derer sich Westphalen in beiden gezeigten Werkgruppen mit Vorliebe bedient. Beide zielen sie auf eine offengelegte Reflektion des Künstlers mittels Kunst, die seiner Intention nach immer diskursiv funktioniert. Die Kunst Olav Westphalens hat zweifelsohne Aufforderungscharakter, sie rückt Dinge ganz neu ins Bewusstsein, fordert zur inneren Beteiligung auf und lädt den Betrachter ein, für sich selbst Position zu beziehen.
Ausstellung geöffnet bis zum 25.2., Di - So 12-18 Uhr (Luisenforum, Brandenburgische Str. 5)
Almut Andreae
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