Kultur: Subversiv heiter
Nora Iuga, die Grand Dame der Poesie, im Huchelhaus
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Literarische Termine im Wilhelmshorster Peter-Huchel-Haus haben sich längst etabliert, nicht zuletzt durch die umtriebige Arbeit von „Hausherr“ Lutz Seiler. In Kooperation mit dem Brandenburgischen Literaturbüro Potsdam hat er nun dafür gesorgt, dass sogar die „Grand Dame der rumänischen Poesie“ einen Abstecher ins Brandenburgische schaffte: Nora Iuga ist derzeit Gast des Berliner „Künstlerprogramms“ vom DAAD. Mit ihrer irgendwie subversiven Heiterkeit steckte sie unter märkischen Kiefern mehr als zwanzig Besucher an, mal mädchenhaft bescheiden, mal die Fahrtrinne ihres kongenialen Übersetzers und Nachdichters Ernest Wichner betont verständnisvoll kreuzend.
Die 1931 in Bukarest geborene Literatin kam durch ihre Künstler-Eltern, der Vater war Musiker, die Mutter eine Tänzerin, früh nach Deutschland. Sie erinnerte sich noch an Lebensmittelkarten, an das Fehlen von Barfüßigen, an den Marlene-Dietrich-Song „Vom Kopf bis Fuss“, den sie dann in Rumänien andauernd sang. Studium der Germanistik im Siebenbürgischen Kronstadt, mehrere Berufswege endeten für die chaotisch-erotisch veranlagte Lyrikerin mit „Rausschmiss“, in Hermannstadt etwa, wo sie ihren Siebenklässlern im Unterricht das Rauchen und Indianerspielen nach Karl May erlaubte: „Ich war immer Winnetou!“ Ihr erster Gedichtband (1968) hieß dann auch folgerichtig „Es ist nicht meine Schuld“.
Sie hat Ausstrahlung, weiß, wie Altersweisheit mit Selbstironie gepaart werden muss, wie man gluckst und wirbt. Damit hat man eigentlich schon eine erste Vorstellung von ihren Gedichten. Meist spricht das Lyrische Ich, seltener ein Ich-und-Du, sonst Beobachtungen, Beschreibungen, Reflexionen.
Oft sind ihre Reime recht unverblümt erotisch, wenn von einem roten Auto die Rede ist, oder magere Jungs Kreuze auf ihrem Bauch schlagen. Jugendsünden.
Zugleich bekennt sie sich im „Mädchen mit den tausend Falten“ (2005) zu einer „zweiten Erotik“. Aber das ist natürlich nicht ihr ganzes „Programm“. Sie mischt sich in die Gesellschaft ein, bedenkt des Endes. Wo sich das Alter ins Hirn flüchtet, die Welt in rote Kristalle zerfällt, da steht der zärtliche Satz „Alles was ich vergessen habe, wartet im Himmel oder in der Hölle“. Und sagt’s mit feiner Heiterkeit.
Wer so einen klangvollen Namen hat, muss einfach Gedichte schreiben. Die man hörte, passen einfach zu ihr. Liest sie, sind es feminine Strophen, liest sie Ernest Wichner, werden sie männisch. Jetzt ist auch Prosazeit. Als Übersetzerin hat sie zeitgenössische Literatur aus Deutschland in Rumänien bekannt gemacht. Es war wieder ein fröhlicher, ein wunderbarer Abend im Hause Huchel.
Gerold Paul
Gerold Paul
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