Kultur: Süffige Klangkredenz Konzert im französischen Stil in der Ovidgalerie
Kein Hüsterchen stört den Hörgenuss. Die Musiker laufen zur Hochform auf.
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Kein Hüsterchen stört den Hörgenuss. Die Musiker laufen zur Hochform auf. Was wieder einmal beweist: Spannung im Spiel erzeugt auch Aufmerksamkeit beim Zuhören. Dazu das passende Rokoko-Ambiente der Ovidgalerie in den Neuen Kammern, die wechselnden Farbstimmungen des sich neigenden Tageslichtes – fast alles Glück dieser (Musik-)Welt scheint beisammen, als das Ensemble „Le Concert d''Astrée“ zu einem Musikfestspiele-Kammerkonzert im französischen Stil bittet. Man fühlt sich wie bei „Fürschten''s“ und einer ihrer Soireen. Musica da camera – hier wird sie zum Ereignis. Schön, dass die Musikfestspiele über solche ansprechenden Räumlichkeiten verfügen. Johann Sebastian Bach und Jean-Marie Leclair, Gäste des Abends, fühlen sich hörbar wohl. Was auch an der Kunst der Musiker liegt, die ihren darmsaitenbespannten Streichinstrumenten jene als historisch geltenden Klänge entlocken, die uns das Barockzeitalter heraufbeschwört und neu entdecken lässt. Neben passender Bogenführung und Streichmanier gehört dazu auch die Haltung der Geige. Auffallend, wie die Violinistinnen Stéphanie-Marie Degand und Stéphanie Paulet ihre Instrumente nur an das Schlüsselbein halten und nicht, wie sonst üblich, mit dem Kinn fest an den Hals pressen. Auf Gemälden alter Meister ist''s zu sehen. Trotzdem ist der Körperkontakt da, kann der Kopf im Rhythmus der Klänge schwingen, ohne das die Geige diese Schwankungen auf hoher Klangsee mitmachen müsste. Das schafft dem Spiel eine schöne Leichtigkeit und Lockerheit. Der französische Komponist Jean-Marie Leclair (1697-1764) besteht auf solcher leicht auszuführenden Spielmanier („d''une exécution facile“) für seine erste und zweite Suite „Recréation de Musique“ (Musikalische Entspannung). Eine Forderung übrigens, die er sogar in den Stücktitel integriert hat. Und so gibt es eine Menge an unterhaltsamen Tanzsätzen zu hören – viel zu schade, als das man sich dabei unterhielte. Was ja auch keiner tut. Stattdessen lauscht man hingebungsvoll dem unverkrampften Spiel der beiden Geigerinnen, die nicht weniger stilkundig von Atsushi Sakai (Gambe) und der klangdominanten Emmanuelle Haim (Cembalo) assistiert werden. Durchweg intensiv wird zum Tanze gebeten: rasant eilen die Passepieds vorüber; kapriziös zeigt sich die Badinage, ausgelassen der Tambourin; gravitätisch schreiten die Sarabanden einher. Der Bachschen Gambensonate G-Dur BWV 1027 entlockt der Japaner Atsushi Sakai mit möglichst wenig Bogenstreichfläche sehr kantable, hell timbrierte und schlank gehaltene Klänge. Spannungsreich geht es zwischen ihm und Emmanuelle Haim zu. Beide sind brillante Klangerzeuger, technisch ohne Fehl und Tadel und begleiten als Continuisten bei Bachs G-Dur-Violinsonate die Solistin Stéphanie-Marie Degand. Ihr klarer, kräftiger und doch geschmeidiger Ton suggeriert eine sozusagen rotweinsüffige Klangabfüllung: ausgewogen, harmonisch, mit reichem Körper, erblühendem Bukett und weichem Abgang. Des Genießens ist fast kein Ende, und so reichen die Quartettisten nach enthusiastischem Beifall noch Bachs „Air“ als Zugabe. Peter Buske
Peter Buske
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