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Kultur: Suggestiv

Orgelsommerkonzert mit Matthias Jacob

Stand:

Dem Klassiker am Beginn der Moderne, Max Reger, die ihm gebührende Reverenz zu erweisen und ihn im Bewusstsein der Orgelmusikfreunde noch stärker zu verankern, ist seit Jahren inneres Anliegen von Matthias Jacob. Und so ließ der musikalische Hausherr der Friedenskirche ganz bewusst auch sein diesjähriges Orgelsommer-Konzert an der Woehl-Orgel mit einem Regerschen Werk ausklingen, der 2. Sonate d-Moll 60. Auch sie ist klanglich dem Erbe von Brahms und Liszt verpflichtet, orientiert sich formal jedoch an barocken Vorlagen. Breit und ausladend hebt sie an, wobei lyrische, sozusagen ungebunden schweifende Passagen unvermittelt mit extremen Klangausbrüchen im vollen Orgelwerk wechseln.

Chromatische Schichtungen entstehen, die Matthias Jacob mit aller gebotenen Sprödigkeit artikuliert. Er zwingt einen jeden zum intensiven Hin- und Zuhören. In der Architektur dieser packenden Offenbarungen einer zerrissenen Künstlerseele kennt sich der Organist bestens aus. Immer wieder steht er vor schroffen Abgründen, weiß aber auch um geheimnisvolle Nischen. In mystisches Klangdunkel hüllt er den Mittelsatz „Invocation“, während er in der abschließenden „Introduktion und Fuge“ die Bachsche Manier deutlich hervortreten lässt. Dabei scheint die Fuge im silberhellen Diskant gleichsam wie über Stromschnellen zu hüpfen, ehe sie zu hymnischer Größe anschwillt.

Davon sind auch das einleitende Praeludium und Fuge e-Moll BWV 548 von Johann Sebastian Bach erfüllt, was darauf schließen ließe, das Matthias Jacob seine Programmzusammenstellung von ihrem Regerschen Ende her gedacht haben könnte. Dafür spräche auch der fast durchgängige Einsatz von durchdringenden Prinzipalstimmen, die für klangliche Schroffheit sorgen. Konsequent hält er auch hier das einmal gewählte Metrum durch, gönnt sich keinerlei Schwankungen. Ein gleichsam unter Hochdruck errichtetes Klanggebäude, das nur im Trioteil der Füge durch ein hohes und hell klingendes Soloregister ein wenig dekorative Abwechslung erfährt.

Ganz anders dagegen die klingenden Glaubensbekenntnisse von Olivier Messiaen, drittem Stützpfeiler Jacobschen Repertoires. Frühwerke sind’s, die uns den Soundmagier auf faszinierende Weise nahe bringen. In „Diptyque“, einem Essay über das irdische Leben und die ewige Glückseligkeit, teilt sich die Diesseitigkeit durch triviale, gleichförmige Floskeln mit. Aufbegehrliches bricht nach kurzer Zeit in sich zusammen. Abrupt ertönt anschließend Ätherisches. Tremolierende, besänftigende und gleisnerische Klänge künden von jenseitigen Verheißungen, die Matthias Jacob überirdisch schön und ganz leise auszudrücken versteht. Ganz meditativ geht es in „Le Banquet Céleste“ (Das himmlische Gastmahl) zu, wo über einer schwebenden und irisierenden Klangfläche Töne wie Tropfen erklingen. Ein suggestiver Sog, dem man sich nicht entziehen kann – und auch nicht will.

Zwischen beide Stücke sind zwei Piecen aus der sechsteiligen Fugensammlung über den Namen Bach von Robert Schumann platziert – eine Reverenz an den Jahresjubilar, der sie eigentlich für Pedalflügel geschrieben hatte. Ihre klavieristische Setzweise konnte auch Matthias Jacob trotz aller organistischen Bemühungen nicht vergessen machen. Filigran und lebhaft, geradezu verspielt ertönt die fünfte Fuge, romantisch diffus die vierte. Nach dem überwältigenden Reger-Finale mochte sich Jacob leider, aber verständlicherweise zu keiner Zugabe entschließen.Peter Buske

Peter Buske

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