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Kultur: Süße Rache

Hofkapelle Schloss Seehaus im Kammermusiksaal

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Rachegelüste stehen Julla von Landsberg ungemein gut. Es ist weniger ihr Gesicht, das ahnen lässt, was für ein Schicksal droht. Es ist die Stimme mit der Julla von Landsberg in der Rolle der verlassenen Medea, die Zuhörer in Abgründe blicken lässt. Ein vergiftetes Kleid für die Nebenbuhlerin, Mord an den beiden Söhnen – die Rachegelüste der Medea sind grausam. Doch wenn Julla von Landsberg davon singt, möchte man solchen perfiden Plänen gern noch Stunden lauschen.

Im Jahr 1703 hat der französische Komponist Nicolas Bernier seine Kantate „Medée“ geschrieben, in der er den griechischen Mythos von Medea verarbeitet. Am Donnerstag war Berniers Kantate der furiose Abschluss eines Konzerts der Hofkapelle Schloss Seehaus im Kammermusiksaal Havelschlösschen. Die jungen Musiker um die Potsdamer Barockviolinistin Claudia Mende präsentierten im fast ausverkauften Saal ihr Programm, mit dem sie bei dem, in der kommenden Woche beginnenden Wettbewerb des Deutschen Musikrates, Kategorie Alte Musik, in Berlin auftreten werden. Anfangs kamen aber Zweifel auf, ob die Wettbewerbsteilnahme eine wirklich so gute Idee war.

Mit Buxtehudes „Singet dem Herrn ein neues Lied“ eröffnete die Hofkapelle den Abend. Julla von Landsberg mit ihrem feinen Sopran, der nicht mit den ersten Tönen beeindruckt, sondern langsam, dann aber umso nachdrücklicher seinen Reiz entfaltete. Die Cellistin Piroska Baranyay und Torsten Übelhör an der Truhenorgel und dem Cembalo gaben ein in sich ruhendes, gleichzeitig aber auch farbenfrohes Fundament. Nur Claudia Mendes Spiel verwunderte ob der gelegentlichen Ungenauigkeiten, der fehlenden Artikulation und manch widerborstiger Schärfe im Ton. Derartiges ist man von ihr nicht gewohnt. Und es sollte auch eine Ausnahme bleiben. Denn wie Claudia Mende nach diesem Auftakt erklärte, hatte sie auf einer neuen Geige gespielt, einer Jacobus-Steiner-Kopie, die gerade erst in der Werkstatt des Veranstalters Tilman Muthesius fertiggestellt wurde. So hatte sie noch keine Zeit, sich auf das neue Instrument einzustellen. Für den Rest des Abends griff sie auf ihre eigene Geige zurück. Das bedeutete: Genuss pur.

Gab es bei Händels „Un alma innamorata“ und Johann Christoph Bachs „Meine Freundin, Du bist schön“ noch Momente der Zurückhaltung, strahlte Bertalis „Ciacona“ in kraftvollem Licht. Monteclair und Bernier dann ausdrucksstark, scharf in den Konturen, wagemutig im Spiel und voller Emotionen. Der lang anhaltende Applaus für die Musiker zeigte deutlich: Die Wettbewerbsteilnahme ist eine hervorragende Idee. Dirk Becker

Dirk Becker

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