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Kultur: Süße Stille

Händels Deutsche Arien in der Friedenskirche

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„Die Musik erhebt den Geist der Menschen“, heißt es in einem spanischen Traktat aus dem 16. Jahrhundert. „Sie ist Ursache und Grund von Tugend, Moral und Besinnung.“ Heutzutage mag das nicht immer und unbedingt mehr gültig sein. Doch eine Idee davon findet sich in den „Deutschen Arien“ von Georg Friedrich Händel, die bei der zweiten Sommermusik in der Friedenskirche in Potsdam-Sanssouci zu Gehör kamen. Sie wurden eingerahmt von Sonaten und Solostücken für Orgel und Cembalo. Die Sopranistin Inés Villanueva, die Geigerin Tabea Höfer, Horst Krause an der Viola da Gamba und Reinhard Glende an Cembalo und Truhenorgel sorgten für ein herzerhebendes Konzert.

Händels Deutsche Arien von 1727 sind ein Unikat und bilden ein Gegenstück zu seinen sonstigen Gesangswerken, ob in Oper oder Oratorium. Obwohl Händel damals schon 16 Jahre in London lebte und nur Musik für italienische und englische Texte schrieb, sind dies Lieder nach deutschen Texten aus der zeitgenössischen Sammlung „Irdisches Vergnügen in Gott“ des Hamburger Dichters und Ratsherrn Barthold Heinrich Brockes. Er beschreibt in dem neunbändigen Werk, das zu den Höhepunkten deutscher Dichtung im frühen 18. Jahrhundert gehört, empfindsam und andächtig die Schönheiten der Natur als Spiegel von Gottes Schöpfung. Mit dem Blick des Naturforschers, aber voll ehrfürchtiger Bewunderung und gläubiger Dankbarkeit betrachtet er noch die kleinsten Erscheinungen der Natur. Zu diesen schlichten, sinnreichen Gedichten komponierte Händel liebliche, unprätentiöse Arien, die die metaphorischen Sprachbilder noch einmal in Musik reflektieren. Da erklingen zum „zitternden Glänzen der spielenden Wellen“ reiche Koloraturen oder „in den angenehmen Büschen“ hört man heitere, punktierte Noten.

Die Sopranistin Inés Villanueva verlieh diesen Gesängen schöne, leuchtende, abgerundete Klänge, wobei ihr in der zauberhaften Arie „Süße Stille, sanfte Quelle“ ein überaus anmutiges, reines Piano gelang. So wie sich Gott in der Natur spiegelt, so spiegeln sich die Stimme und die begleitenden Instrumente ineinander, besonders gerne umschlingt die hellglänzende Geige den Gesang. Die Violinistin Tabea Höfer erfreute auf der Barockvioline auch als Solistin in einer Trio-Sonate von G. Fr. Händel sowie ganz besonders in Arcangelo Corellis Sonate A-Dur – einem wunderschönen, kniffligen Stück voller bravouröser Partien.

An der Viola da Gamba setzte Horst Krause in Händels g-Moll-Sonate leicht nasale Akzente, die großartig zum virtuosen Cembalo-Spiel von Reinhard Glende passten. Als kleine phantasievolle Überraschung erwies sich Händels Passacaille für Cembalo. Nicht zuletzt Glendes Spiel auf der milden Truhenorgel sorgte für andächtige Klänge. In der zuletzt vorgetragenen Arie hieß es: „Meine Seele hört im Sehen“ – ein barockes Paradox über die metaphysischen Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Gott. Nach diesem Konzert konnte man die Sentenz einfach umdrehen und sagen: „Meine Seele sieht im Hören“, so erhoben ging man daraus hervor. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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