Kultur: Swingende Arrangements
Rappelvolle Klein-Glienicker Kapelle bei „Music from America“ mit dem Duo Sarasate
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Rappelvolle Klein-Glienicker Kapelle bei „Music from America“ mit dem Duo Sarasate Das Handy schweigt. Noch zehn Minuten bis zum Auftritt des „Duo Sarasate“. Doch weit und breit sind keine Musiker in Sicht. Haben sie den Termin vergessen? Die Orientierung für den Weg verloren? Den Ortsnamen mit anderen verwechselt? Fünf Minuten vor der Zeit sind sie endlich da und alle Sorgen des Veranstalters der rühmlichen Konzerte in der Klein-Glienicker Kapelle vergessen. Das architektonische Kleinod kann die Besucher zum nachmittäglichen Sonntagskonzert mit „Music from America“ kaum fassen. Weltliche Musik in heiligen Hallen. „Vielleicht sind deshalb so viele gekommen!?“, mutmaßt Andreas Kitschke bei der Vorstellung der Künstler. Ohne Umschweife gehen sie zur Sache. Fehlende Zeit für konzentrierte Vorbereitungen auf den Auftritt kompensieren Martin von Hopffgarten (Violoncello) und Clemens Kröger (Klavier) durch Spontaneität und improvisatorische Routine. Als Vollblutmusiker haben sie ihr unterhaltsames Programm, dessen Stücke sie ansagen und erläutern, längst verinnerlicht und haben es gleichsam abrufbereit gespeichert. Vieles davon ist zwischen Salon und Kaffeehaus angesiedelt. Wie etwa Charlie Chaplins (1889-1977) Kompositionen von „Bonjour, Madame“ und „Limelight“. Süffisant und vibratobebend singt das Cello, gefühlsgesättigt unterstützt vom Klavier. Man kann sich zurücklehnen, die Seele baumeln lassen und sich daran erinnern, dass der berühmte Stummfilmkomiker sogar Cello gespielt hat. Linkshändig. Das sich das von Martin von Hopffgarten durchweg rechtshändig gehandhabte Streichinstrument vorzüglich zur Imitation von Gesang eignet, belegen die arrangierten Songs aus „Porgy and Bess“ von George Gershwin (1898-1937). Sonor und einfühlsam singt das Violoncello den „Summertime“-Blues, imaginiert auf den Saiten sogar ein greinendes Kind als Schlusspointe. Für das rhythmisch vertrackte Spottlied auf die Bibel „It ain''t necessarily so“, angestimmt vom Rauchgifthändler Sporting Life, hält er viel Glissando bereit, sodass ein stark verfremdeter Gospel entsteht. Gar zum Banjo umfunktioniert, intoniert das Cello auch Porgys Song „Oh, I got plenty o''nuttin“. Das Klavier liefert einen vergleichsweise trockenen Ton hinzu. Doch das Duo weiß nicht nur um die zündende Wirkung von Gershwins Musik, sondern auch um die seiner Adaptionen, die mit klanglichen Effekten genauso wenig sparen wie mit originellen tonsetzerischen Veränderungen. Hauptsache, es macht Ausübenden wie Hörern Spaß. Den haben beide auch an der eigenwilligen Sparversion von Gershwins „Rhapsody in Blue“, wobei das Cello für sämtliche Orchesterinstrumente einschließlich der sich aufswingenden Klarinette zuständig ist, während der Pianist seiner original niedergeschriebenen Aufgaben nachgehen kann. Er tut es mit viel Feeling für die Melange aus Klassik und Jazz. Dabei spart das Duo die Sentimentalität genauso wenig aus wie synkopierte Seufzer und effekthascherische Eskapaden. Als vokale Alt-Stimme ist das Violoncello kaum zu übertreffen, für Bizets „Carmen“ schon gar nicht. Kartenszene, Habanera und Ballettmusik bilden das instrumentale Arrangement, wo das Timbre der Schwing- und Stimmbänder nahezu konform tönen. Mit Amerika und seinen fetzigen Rhythmen hat das jedoch kaum etwas zu tun. Die reich synkopierte Impression eines lateinamerikanischen Karnevalszuges „La comparza“ für Klavier solo des kubanischen Komponisten Ernesto Lecuona (1896-1963) dagegen schon eher. Bei Leonard Bernstein (1918-2000) und dessen schmissig-sentimentalen Songs ist das Duo Sarasate dann wieder ganz bei sich und seinen spielerischen Vorzüglichkeiten. Aggressiv tanzt der „Mambo“, schmachtend singt „Maria“, aufgeheizt und verhetzt jagt „America“ vorbei. Für den ausufernden Applaus gibt''s als schmachtfetzende Zugabe den unverwüstlichen Csardas von Monti.Peter Buske
Peter Buske
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