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25. Orgelsommer in der Friedenskirche: Swingjazz fordert die Königin heraus

Sie habe Musik mitgebracht, „die man so nicht auf der Orgel hört“, verheißt die renommierte Jazzmusikern Barbara Dennerlein den überaus zahlreich erschienen Musikfreuden, die sich am vergangenen Mittwoch zum Auftakt der 25. Saison des Internationalen Orgelsommers in der Friedenskirche eingefunden haben.

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Sie habe Musik mitgebracht, „die man so nicht auf der Orgel hört“, verheißt die renommierte Jazzmusikern Barbara Dennerlein den überaus zahlreich erschienen Musikfreuden, die sich am vergangenen Mittwoch zum Auftakt der 25. Saison des Internationalen Orgelsommers in der Friedenskirche eingefunden haben. „Jazz meets organ – Spiritual Movements“ nennt sie ihr Programm – eine Verkündigung, die manchen Traditionalisten unter den Zuhörern verwundert haben mag. Kein Bach oder Böhm, kein Widor, nicht mal Messiaen oder Alain zur Eröffnung jener jubilierenden Veranstaltungsreihe, die „aus dem kulturellen Leben Potsdams nicht wegzudenken ist“, wie Landesbischof Markus Dröge in seiner Begrüßung des erwartungsfroh gestimmten Auditoriums feststellt. Dem sind nun wahrlich „geistige Bewegungen“, wie es ja im Titel schon heißt, abverlangt. Für die Neugierigen unter ihnen kein Problem.

Entgegen des Üblichen sind die Stühle in Blickrichtung zur Orgel ausgerichtet. Zwischen den Säulen am Mitteleingang hängt ein Riesenbildschirm, der zunächst den Spieltisch der Woehl-Orgel projiziert, dann die Solistin in Halbtotalen, in Nahaufnahmen bei ihren staunenswerten Fußtänzen auf dem Pedal und virtuosen Handarbeiten auf den drei Manualen zeigt. Ein Kamerablick aus der Höhe herab, Überblendungen und dergleichen technische Abwechslungen. Zu ihnen gehören auch wandernde bunte Lichtwellen, die für nicht mehr als nur optischen Schnickschnack sorgen. Denn das „Lob des Herrn vollzieht sich durch die Musik“, so drückte es Martin Luther aus. Allein durch die Musik – doch was sonst noch auf der Orgel möglich ist, soll das Eröffnungskonzert hörbar machen. Wie schön.

Da der Blues die Wurzel des Jazz darstellt, spielt Barbara Dennerlein zur Einstimmung den „Blues in the pipeline“, wobei allerdings keine Erdölleitung, sondern eine Pfeifenreihe gemeint sein dürfte. Durch die optische Verstärkung ihres körperbetonten Spiels erhält das Erklingende zusätzliche Dimensionen. Ein unmittelbares Erleben, was man beim Orgelsommer tatsächlich so noch nicht erlebt hat. Da das Stück vom „Wechsel der Gangart“ lebe, was bedeute, „dass etwas in steter Veränderung ist“, so Dennerlein bei ihrer Werkerläuterung, deren Verstehen allerdings wegen schlechter Tonanlage sehr zu wünschen übrig lässt und sogar bis zur totalen Textunverständlichkeit führt. Das Manko betrifft übrigens ihre gesamte Abendplauderei. Bleibt also nur noch das eigene Empfinden, die Aktivierung wacher Sinne. Und so hört und sieht man, wie eine Diskantstimme durch die anderen Manuale in die Tiefe wandert, rhythmische Fahrt gewinnt und durch hinzutretende Register auch Lautstärke. Und dazu immer dieser swingende Sound, der zu begeistern versteht. Dynamisch allerdings verbleiben der Blues und auch die weiteren Stücke in größtenteils gemäßigten Bereichen.

Wie von unsichtbarer Hand bedient, so ist auf dem Bildschirm eindrucksvoll zu sehen, wie sich die Register gleichsam wie von selbst ziehen: Sie sind computergespeichert und können auf einen einzigen Knopfdruck blitzschnell in Aktion treten. So auch bei jenem Wunschstück des kürzlich verstorbenen Friedenskirchenkantors und Künstlerischen Leiters des Orgelsommers, Joachim Walter, dem man zu Konzertbeginn mit einer Schweigeminute gedenkt. Ein ausdrucksgetragenes Stück, das allmählich schneller wird und im Leisen endet. In einem anderen Stück soll es um Bescheidenheit gehen, so die Organistin. Zu hören ist davon wenig, aber immerhin. Auf Dauer gewinnt man den Eindruck, dass sich alle Stücke irgendwie ähneln. Monotones repetiert sich fast endlos, schwillt an, dräut per Handflächen- und Unterarmeinsatz auf den Tasten zu Geräuschklumpen. So auch in Dennerleins New-York-Hommage, in der es neben Eindrücken vom Erwachen der Millionenstadt über des Tages Ruhelosigkeit und Hektik – gespielt im gesamten Orgelwerk – sogar mit dem bekannten Toccata-Thema aus BWV 565 ein originales, dann verfremdetes Bachzitat zu hören gibt. Jazz trifft Klassik – hier wird’s Ereignis. Dem Beifall dankt eine Zugabe. Peter Buske

Peter Buske

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