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Gebannter Spritzer Gischt. Eine Keramik von Hella Berent.

©  Manfred Thomas

Kultur: Sympathie mit dem Ego-Monster

Hella Berent mit „asleep with the devil – Blue Color Chart“ im Kunsthaus

Stand:

Quer durch den Raum hat sie eine Linie gezogen. Eigentlich ist es ein riesiges Netz hauchfeiner Linien, verwebt zu einem transparenten Vorhang. Meerwassergrün durchteilt er jetzt den Raum im Erdgeschoss des Kunsthauses – und wer die anderen Arbeiten der Künstlerin Hella Berent sehen will, muss irgendwie durch dieses Netz aus Gaze hindurch.

Nur, um dahinter sich selbst zu begegnen. Fünf Keramiktafeln hängen da an der Wand, silbern und grün schillernd lackiert. Sind das nun Bilder oder Skulpturen? Stellt man sich davor, blickt man, wie Narziss in der griechischen Sage, in sein eigenes Spiegelbild. Das allerdings ist verzerrt, durch die leichte Wölbung der Tafel und die Lackierung in Auflösung begriffen. Der Betrachter wird zum kubistischen Aquarell, bei jeder leichten Bewegung verrutschen Mund und Kinn noch ein wenig weiter, scheinen die Ohren noch ein Stück mehr vom Kopf abzurücken, zerfließen die Augen zu Abgründen.

Überhaupt: Alles fließt, man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen, sagte Heraklit und demzufolge hier auch nicht zweimal in dasselbe Bild. Die wasserartige Oberfläche macht jedes Mal einen anderen aus dem Betrachter. Das Gleiche passiert auch beim Reisen, man taucht ein in ein fremdes Land und kommt als Anderer wieder nach Hause. Hella Berent schafft aus den neu gewonnenen Eindrücken dann Kunst.

Aus Italien, Syrien, Ägypten, aus der Türkei, aus Iran und Indien hat sie unter anderem diese Frage mitgebracht: Welche negative Kraft ist es, die als Prinzip immer wieder die interkulturelle Verständigung zu zerstören droht? Lauert sie vielleicht ständig in uns selbst, in der Lust an der Selbstbespiegelung? Dem immer und immer wiederholten Versuch, sich selbst in diesen spiegelnden Bildern zu erkennen – anstatt einen Schritt zurückzutreten und diese Keramiktafeln für sich zu betrachten, einfach als das, was sie wirklich sind?

Im Bett mit dem Teufel der Selbstliebe also? „Der Spiegel, aus Porzellan gegossen, gleich einer Leinwand geformt, verbindet die Malerei mit der Keramik, das Sehen des Wahren mit dem Sehen der Einbildung , das Bild bleibt ein imaginiertes“, schreibt Hella Berent zu einer Ausstellung ihrer Arbeiten in Genf. Und sie erklärt auch gleich, wie dieser irisierende Effekt zustande kommt: Flüssiges Platin, mit dem Pinsel aufgetragen, hinterlässt immer Auftragsspuren, „gespritzt habe ich noch hochglänzende Glasuren in der Farbskala von Blau über Türkis bis Grün.“

Der griechische Philosoph Plato – der Heraklits Zitat übrigens später aufgriff, beschäftigte sich viel mit dem Problem der Wahrheit des Sehens. In seinem berühmten Höhlengleichnis etwa geht er davon aus, dass die Menschen lediglich Schatten der wahren Welt wahrnehmen, solange sie sich nicht auf den steilen Weg der Erkenntnis begeben. Dieser Weg liegt für Hella Berent im Reisen. Auf dem Boden ausgebreitet liegen, wie angeschwemmtes Treibgut, Fundstücke aus der Welt der Dinge: Ein schmal geschmiedetes Metall-Kreuz, das ein wenig an ein mittelalterliches Schwert erinnert, ein paar gelbe Tennisbälle, sorgfältig ausgebreitete Fischernetze, all das hat sie auf gelbem und orangefarbenem Filz drapiert. Aus den Lautsprechern eines Laptops dringt Meeresrauschen.

Umfangen wird die Installation von zwei Vitrinen, jede davon beherbergt eine kleine Keramikskulptur: Gebrannte und damit für immer gebannte Spritzer Gischt scheinen diese wasserblau und flaschengrün glasierten Objekte zu sein. Trockener geht es im Obergeschoss weiter. Zwei Filme laufen dort jeweils parallel, aber leider ohne erkennbaren Zusammenhang. Es sind Aufnahmen von Reisen, gefilmt mal aus einem Auto, das über staubige Sandpisten huckelt, mal vom Straßenrand aus. Dann ziehen Prozessionen vorbei, Hindus, Buddhisten, es ist manchmal schwer zu erraten, wo genau die Kamera sich gerade befindet. Es ist ein Film, zusammengeschnitten aus Eindrücken von verschiedenen Orten. Weil es alles einheitlich fremd ist, sobald man sich auf Reisen begibt? Nach den anspielungsreichen Objekten im Erdgeschoss bleibt dieser zweite Teil der Ausstellung wenig greifbar – weder ästhetisch noch intellektuell. Ariane Lemme

Die Ausstellung „asleep with the devil – Blue Color Chart“ ist noch bis zum 19. Oktober im Kunsthaus, Ulanenweg 9, zu sehen.

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