Kultur: Szenenversuche
Die „Internationale Sommerakademie“ präsentierte Ergebnisse aus mehreren Theaterworkshops
Stand:
Theater-Workshops der unterschiedlichsten Art organisiert das T-Werk in der Schiffbauergasse schon seit Jahren, eine „Internationale Sommerakademie“ dieses Veranstalters aber gibt es erst jetzt. Sie orientiert sich offensichtlich an übernationalen Standards, hat eine Laufzeit von zwei Wochen und endete mit einer öffentlichen Präsentation des Erarbeiteten vor Ort in der Schiffbauergasse am Sonntag. Soweit dass die Teilnehmer der anderen Kurse meint, ist das in Ordnung, aber welche Öffentlichkeit könnte etwas mit angerissenen, wohlmeinenden oder auch missglückten Szenenversuchen anfangen, denen ganz notwendig Anfang wie Ende fehlen müssen? Solcherart Exerzitien sind etwa dem Brechtschen Lehrstück vergleichbar. Sie haben nach innen hin eine lebendigere Wirkung, einen intensiveren Erfahrungswert als ins eitel-schnöde Außen des Parketts. Vier Arbeitsgruppen gab es bei der „Internationalen Sommerakademie“, drei Präsentationen zur sonntäglichen Vesperzeit im T-Werk bei auffallend gutem Publikumsbesuch. Die Kursteilnehmer kamen aus ganz Deutschland und Nachbarländern. Was nun sollte man erkennen, was war zu lernen, wem zu applaudieren?
Zuerst der Versuch von Anja Kozik und René Schwittay, den täglichen Lebenszirkus („The Daily Life Circus“) durch tanz- und pantomimisch-gestische Elemente darzustellen. Fünf junge Damen, fünf Stühle auf der Off-Bühne. Jede glaubt, ihre Geschichte oder nur Wünsche verbal erzählen zu müssen, indes die anderen leicht Pina-Bausch-mäßig gestisch kommentieren, tanzen oder gar nichts tun. Es ging ums Verlassenwerden oder ums Einsamsein. Zustände wollte man präsentieren, nicht aber Vorgänge, von denen die Bühne lebt. Die Sprache rang um bedeutungsgeladene Metaphern, die Musik aus dem Off reichte von Techno bis zum sentimentalen Schlager. Manchmal lief das einstudierte Ding synchron, manchmal auch widerläufig, alles ernst und so hehr, je nach Stimmung. Hier wurde der allgemeine Mensch mehr bedient als das Gesetz einer Bühne. Wenn das zu entdecken gewesen wäre – gut, und wo blieb der Zirkus vom Leben?
Das zweite Exerzitium stand unter dem Thema „Poetry in Motion“. Es ging um die Anfertigung und den spielerischen Umgang mit Basler Masken. Und so lugten, klassisches Entree dieses Genres, überall weiße Larven durch die schwarz ausgehangene Bühne, zögerlicher Kontakt mit dem Publikum, dann der nicht durchgehaltene Versuch, mit ihm zu spielen. Die Workshop-Leiterinnen Finnbar Ryan aus Irland und Petra Föhrenbach bemühten sich, einzelne Geschichten („Schönheit des Augenblicks“) aus der Gruppe der Masken zu lösen. Zögerliche Annäherungsversuche junger Leute etwa, Tanz der Vögel, doch auch hier kein erkennbarer Rahmen. Warum ordnete man einzelnen Spielern nicht bestimmte Aufgaben zu, die stets mit- oder weiterzuspielen sind? Das müsste ein erfahrener Kursleiter eigentlich wissen. So blieb dieser Teil der Präsentation trotz geringerer Verkrampfung als im ersten Teil nur ein loses Konglomerat aus Zufallsfindungen. Mit Sicherheit gut für die Teilnehmer, aber nicht spannend genug für das Parkett.
Weiße Blende rechts – weiße Blende links, dazwischen ein zu durchquerender Raum - „Clowning Intensive“ forderte unter der Leitung von Sharon Usher und Angela Hopkins dazu auf, den Clown in sich selbst zu entdecken und zu spielen. Sicherlich die lebendigste Vorstellung in den knapp zwei Stunden Präsentation. Auch hier Standards: Einer macht Geräusche, der zweite muss dazu Haltungen improvisieren. Oder man durchlief als ganz schräger Vogel mit größtem Vergnügen den Weg von Blende zu Blende. Mit roter Nase, versteht sich. Gab es zur Zeit von Federico Fellini nicht mal einen Boom zum Thema Clown? Wer gleich war der Weißclown, und was durfte der dumme August, der ewige Verlierer? Es gibt keine traurigere Figur als diesen August, auch Böll wusste das. Im T-Werk hatte man den Eindruck, als seien die Einheits-Rotnasen trotz unterschiedlicher Kostüme und Gesten einfach nur unitäre Spaßkanonen. Kein Anspruch dahinter. Muss die Bühne dieser und der kommenden Zeit nicht verteidigt werden, geht es beim Theater nicht mehr um Substanz, um den Menschen in seinem Innern? Spaßteufel gibt es draußen genug. Der Verzicht auf ein gemeinsames Thema hat die erste Sommerakademie wohl etwas seicht und beliebig gemacht – abseits von Späßen und Spiel, von Entdeckerfreuden, die zu jedem Kurs gehören. Anspruch muss ja gesucht, muss gesetzt werden, sonst gibt es ihn nicht. Theaterleute sollten dies als erstes wissen, sie haben es ja direkt mit der Wahrheit zu tun.
Gerold Paul
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