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Kultur: Tango trifft Kampfsport trifft Improvisation Energiereiche „Frühlingsrollen“ in der fabrik

Der Frühling ist die Jahreszeit mit der meisten Energie. „Eine wunderbare Zeit, ,Frühlingsrollen’ zu drehen und die Leute in Bewegung zu bringen,“ sagt Christin Cammradt.

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Der Frühling ist die Jahreszeit mit der meisten Energie. „Eine wunderbare Zeit, ,Frühlingsrollen’ zu drehen und die Leute in Bewegung zu bringen,“ sagt Christin Cammradt. Und so schnürte die fabrik-Mitarbeiterin ein kompaktes Workshop-Programm, das in den kommenden Wochen vier Tageskurse und zwei Workshop-Reihen miteinander verbindet.

Am kommenden Sonntag wird es ausgesprochen „lautstark“ zugehen. Fiona Edwards, die 20 Jahre in London als Tänzerin und Choreografin arbeitete, strebt in ihrem Angebot nach einer engen Verbindung von Musik und Tanz. Sie selbst hat schon oft Aufführungen am Piano und mit Trommeln begleitet. Live-Musik gehört für sie einfach zum Tanz dazu. Bis sie vor drei Jahren nach Berlin kam. Hier vermisste sie die vertraute Liaison. „Für Live-Musik im Tanzunterricht Geld zu bekommen, ist sehr schwer“, sagt die Choreografin, die nun erstmals in Potsdam unterrichtet. In der fabrik greift sie auf die eigene Musikalität der Körper zurück, will zeigen, dass schon Schnipsen oder Klatschen reichen kann, um in Schwung zu kommen und die Ausdruckskraft der Körper klarer werden zu lassen. In unserem Gespräch hat die Tänzerin allerdings wenig Zeit, ihr Plädoyer für die Musik weiter auszubauen. Auf der S-Bahn-Fahrt nach Potsdam wurde ihr gerade die Tasche gestohlen, und nun muss sie erst einmal mit ihrem deutschen Mann in Berlin telefonieren, dass er ihre Kreditkarte sperren lässt.

Umso mehr bleibt Zeit, mit dem Argentinier Javier Cura in sein „Relations-Physical Theatre“ vorzudringen, das er im März und April in der fabrik anbietet. Darin will er die vielleicht etwas merkwürdig anmutende Verbindung von Tango, Kampfkünsten und Kontaktimprovisation beschwören. „Ich nehme diese drei Bewegungsarten nicht in ihrer reinen Form, sondern klopfe sie nach ihrer jeweiligen Erdung ab. Das Grundprinzip ist bei allen gleich. Man sammelt in seinem Zentrum Energie, um sie wieder in den Raum zu werfen und auf andere zu projizieren. Jeder trägt in seinem Körper eine ganz eigene Geschichte, die er überträgt.“

Er selbst kam erst neunzehnjährig mit Tango in Berührung, obwohl er Argentinier ist. „Ich wuchs in der Militärdiktatur auf. Da war Tango nicht gern gesehen. Wir hörten Abba und andere schreckliche Gruppen.“ Erst als die Militärs gestürzt waren, tanzte er die ersten Milongas – mit Frauen im Arm. „Ich hatte durch die Popmusik die Distanz verinnerlicht. Und jetzt plötzlich diese Intimität! Doch gerade der Kontakt, das Berühren, ist eine menschliche Notwendigkeit.“ Inzwischen gebe es an jeder Hausecke Argentiniens Tango. „Er hat viel mit Leidenschaft und Melancholie zu tun, mit der Sehnsucht nach Liebe. Ich bin nicht in der Lage, ihn jeden Tag zu tanzen.“

Inzwischen wohnt Javier schon lange nicht mehr in seiner Heimat, sechs Jahre lebte er in Italien, seit Oktober 2008 in Berlin. Er begrüßt Strömungen, die die strengen, machohaften Regeln des Tangos aufweichen und den Tanz erneuern, ihn mit Jazz oder Hip Hop mischen. So wie auch er sich nach vielen Seiten öffnet, ohne die Erdung zu verlieren.

Javier Cura arbeitet nicht mit festgeschriebenen Choreografien, er wird sich auch in der fabrik auf die mitgebrachten Geschichten der Workshop-Teilnehmer einlassen und schauen, was zwischen ihnen passiert. Am Ende soll eine kleine Präsentation zustande kommen, die zu den Tanztagen gezeigt werden kann.

Nachdem im Januar die Türen der fabrik für Aufführungen, Konzerte und Partys geschlossen waren, geht es jetzt mit Volldampf voraus ins neue Jahr. Hinein in den Frühling. Und auch das Café atmet jetzt freier und großzügiger, bietet mehr Platz zum Tanzen und ist täglich (außer montags) schon ab 16 Uhr geöffnet. Zudem wird nach und nach das farbliche Design verändert: verschiedene Grün-Töne soll es bald geben – auch passend zu den Frühlingsrollen. Heidi Jäger

Anmeldungen für die Kurse unter 0331-2800314. Weitere Infos unter www.fabrikpotsdam.de.

Heidi JägerD

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