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Auf zum„Kranztanz“. Detlef Mallwitz’ Parcour durch die Ausstellung.

© Kunstraum

Kultur: Tanz mit Strich und Linie

Der Waschhaus-Kunstraum zeigt gegenwärtige Positionen der künstlerischen Zeichnung

Stand:

Bauarbeiter in Blaumännern hangeln sich durch die Mondröhre. Daneben schimmert der Himmelskörper als silberne Bleistiftzeichnung. „Das ist ein Bezug auf die kosmologische Verfasstheit der Welt und auf die Gottlosigkeit der Moderne“, erläutert ein wenig kryptisch Martin Juef. Auf einem anderen Bild verkündet der Künstler: „Ich bin das letzte Mittel im Kampf gegen müde und strapazierte Haut“. Was in der Werbung oft leere Versprechung sei, bestätige sich auf seiner Zeichnung unmittelbar, meint Juef. Das Selbstporträt, das er über dem Schriftzug angebracht habe, zeige schließlich, wie faltenlos und glatt seine Haut sei. Wem die etwas verwickelten Argumentationsmuster zu seinen eher kopflastigen Fotozeichnungen nicht unmittelbar einleuchten, den fordert Juef auf: „Bitte haben Sie einen Moment Geduld.“

Etwas Geduld sollte der Betrachter der Ausstellung „Zeichnung“ allerdings mitbringen, denn die sechs versammelten Positionen reflektieren auf intelligente, aber nicht unmittelbar eingängige Weise das titelgebende Medium. Von filigranen Drahtskulpturen bis zur Tanzanleitung in Piktogrammform reicht das Spektrum. Das von Isolde Nagel kuratierte Projekt versammelt drei Preisträger des Brandenburgischen Kunstpreises und drei weitere eingeladene Künstler. Gemeinsam ist den meisten Positionen der völlige Verzicht auf erzählende oder beschreibende Elemente und die Suche nach den Möglichkeiten und Grenzen der Zeichnung.

Mit tellergroßen grünen Punkten markiert Detlef Mallwitz den Boden. Darin ausgeschnittene Rechtecke und Quadrate zeigen dem Besucher, wie er sich durch den Raum bewegen kann, um jeweils einen „Kranztanz“, einen „Krohntanz“ oder einen „Kwarttanz“ zu inszenieren. Die recht komplexen Bewegungsmuster finden sich als Kreise und Linien auf einer gerahmten Zeichnung des Künstlers wieder. Dort hat Mallwitz auch jeweils die Schrittfolge durchnummeriert, sodass sich ein Plan möglicher Tanzbewegungen ergibt. Hinter der intendierten tanztechnischen Anleitung tritt das Medium Zeichnung bei Mallwitz zurück.

Ganz anders als bei Ellinor Euler. Bei ihr steht das Medium im Vordergrund. Auf handgeschöpftem und ausdrücklich holzfreiem Papier zieht Euler ihre feinen Strichmuster. In mehreren Reihen gezeichnet, verdichten sich die gerade gezogenen Linien, lösen sich wieder auf und bilden so einen Strichteppich, bei dem der Rhythmus und die wechselnden Spannungen der einzelnen Elemente das Bild strukturieren.

Lebhaft bewegt sind dagegen die Linien Kathrin Haders. „Mit den leichten Bewegungen in meinen Bildern versuche ich auch ein Bild für die Stille zu finden“, erklärt die Künstlerin. Bündel aus gebogenen, in weiten Schwüngen aufgetragenen Kohlestrichen flattern über das Papier oder wachsen aus dem Boden die Wand empor. Die teils brüchigen, teils kraftvollen Linien korrespondieren ausgesprochen harmonisch mit den Drahtskulpturen Alexandra Karraschs. „Ich gebe nicht viel von mir preis, der Betrachter soll bei sich selbst bleiben“, bemerkt die Künstlerin. Eine „flirrende“ Linie wolle sie entstehen lassen. Aus millimeterdünnem Draht flechtet sie perspektivisch verzerrte und verschobene viereckige Gebilde. Feingliedrig und zerbrechlich wie Termitenbauten umschließen sie einen leeren Raum. Schönheit sei ihr wichtig, betont die Künstlerin. Das gelte auch für ihre Betonstücke, die an der Wand heften. Papierdünn sind die Betonblätter, in die Karrasch wimmelnde Zeichnungslinien eingepresst hat. Unauffällig behaupten sich die spröden grauen Flächen im Ausstellungsraum. Und künden von der ungeheuren Konsequenz, mit der die Künstlerin ihr Werk vorantreibt. Die Drahtkonstruktionen, die Betonstücke, all das dokumentiert ein von fast wissenschaftlichem Forschungsdrang getriebenes Interesse der Künstlerin an der Auseinandersetzung mit dem Material.

Das Gegenstück zur intensiven Sezierarbeit von Karrasch liefert Daniel Klawitter. Seine schlanken floralen Gebilde sind unmittelbar als Palmwedel, aufkeimende Hülsenfrüchte oder Mädchenkopf deutbar. Der „Rhythmus“, den der Künstler gerne in seinen sehr zurückhaltenden Zeichnungen wahrgenommen haben möchte, erschließt sich dem Betrachter allerdings nicht unmittelbar. Die Ausstellung bietet einen interessanten Einblick in gegenwärtige Positionen künstlerischer Zeichnung. Zwar wagt sich kaum eine der Positionen in expressive oder gegenständliche darstellende Bereiche vor. Aber die Konsequenz der meist intellektuell begründeten jeweiligen zeichnerischen Ansätze beeindruckt.

Richard Rabensaat

Zu sehen bis 7. Oktober, im Kunstraum des Waschhauses, Schiffbauergasse, Mittwoch bis Sonntag von 12 bis 18 Uhr

Richard Rabensaat

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