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Lustig, leicht verständlich, aber voller komplexer Bezüge sind die Figuren.

© promo

Kultur: Tanzende Köpfe

Die belgisch-brasilianische Choreografin Maria Clara Villa-Lobos zeigt an diesem Wochenende ein Stück für Kinder ab drei Jahren in der „fabrik“

Stand:

Maria Clara Villa-Lobos denkt gern im Kreis. Aber: Sie kommt dabei immer zu einem Ergebnis. Wie in ihrem hinreißenden Tanzstück für Kinder ab drei Jahren, das an diesem Wochenende in der „fabrik“ zu erleben ist. „Têtes á Têtes“ heißt es. Kopf an Kopf also, und ja, im Grunde geht es darin darum, nicht nur sich selbst, die eigenen Grenzen – und damit die eigene Identität – zu erkunden, sondern auch, dem anderen zu begegnen. „Es hat zwar keine unbedingt stringente Handlung, ich erzähle eher in Tableaus, die vom Geborenwerden und Die-Welt-Erleben handeln“, sagt die 1972 in Brasilia geborene Choreografin, die zwischen 1989 und 1992 in Berlin Ballett studiert hat.

„Têtes á Têtes“, das spielt aber nicht nur auf zärtliche Begegnungen an – sondern auch ganz formal auf die absurd großen Köpfe aus Pappmaschee, die sie und ihr Tanzpartner Antonio Montanile in dem Stück tragen. Inspiriert hat sie dazu der Künstler Paul McCarthy – wer ihn kennt, weiß, dass der alles andere als für Kinder geeignet ist. „Er verwendet gerne die Codes der Kinderwelt – und pervertiert sie“, sagt Villa-Lobos. Sie übersetzt seine subversiv-monströsen Auswüchse quasi zurück in die Kinderwelt, zur Unschuld. Schließt den Kreis wieder, könnte man sagen. Eigentlich ist die Quelle aber gar nicht so entscheidend, es ist eben wie bei allen Künstlern: Etwas spricht sie formal an, und dann rattert der Kopf los und kreiert etwas ganz Neues daraus.

Aber klar: Ein Stück für so kleine Kinder – das ist natürlich auch beeinflusst von Villa-Lobos’ beiden eigenen Kindern. „Die waren, als ich es vor vier Jahren schrieb, etwa in dem Alter“, sagt sie und lacht. „Kinder malen ja, wenn sie anfangen zu zeichnen, vor allem riesige Köpfe“ – der Rest, alles abseits des Gesichts interessiert sie noch nicht so. Eigentlich ist das ja auch schlau – alle Sinne sitzen im Gesicht, dort spielt sich alles Wichtige ab.

Den Tanz beeinflusst es natürlich, wenn man mit einer Art Ballon um den Kopf tanzt. „Die Sicht ist ziemlich eingeschränkt, Bewegungen nach hinten oder über den Boden rollen – das geht kaum“, sagt Villa-Lobos. Diese Einschränkung schafft natürlich auch wieder neue künstlerische Freiheiten. „Es akzentuiert die Bewegungen, sie müssen expressiver sein, wir müssen übertreiben, alles wird durch den Körper ausgedrückt.“ Genau das ist ja eigentlich auch das Wesen des Tanzes – Dinge ohne Worte, vielleicht sogar auch ohne Mimik auszudrücken. Ich versuche immer, etwas Universelles zu schaffen“, sagt Villa-Lobos. Und so verläuft die Suche der beiden Figuren nach sich selbst nicht immer ohne Widerstände. „Es gibt auch einen Teil im Stück, in dem einer seinen Kopf verliert und ihn erst wiederfinden muss“, an anderer Stelle tauschen die beiden ihre Gemüse-Nasen aus – auch eine Anspielung auf die Kunstgeschichte, auf die Bilder Giuseppe Arcimboldos. Auch die abstrakten Werke Jackson Pollocks spielen eine Rolle, die ekstatisch tanzenden Farbflecken stehen – zu Beginn des Stücks – für das Universum, die kreisenden Planeten. Makro- und Mikrokosmos also. Und damit schließt sich der Kreis. Ariane Lemme

„Têtes á Têtes“ ist – zum ersten Mal in Deutschland – am heutigen Samstag und am Sonntag, jeweils um 16 Uhr, in der „fabrik“, Schiffbauergasse, zu sehen

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