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Zum Abheben. Der Bratscher Nils Mönkemeyer auf historischen Pfaden.

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Kultur: Tanzmeister voller Übermut „Folia“ mit Mönkemeyer und Kammerakademie

Man erzählt sich ja so einiges in gut informierten Kreisen. Beispielsweise über Bratscher.

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Man erzählt sich ja so einiges in gut informierten Kreisen. Beispielsweise über Bratscher. Ein Vertreter dieser Zunft übt den ganzen Tag lang nur einen Ton. Seine Frau beschwert sich: „Es gibt Leute, die können auch andere Töne spielen.“ Der Bratscher: „Die anderen suchen den richtigen Ton – ich habe ihn gefunden!“ Mehr als nur einen, möchte man ergänzen, wenn einem die jüngste CD-Einspielung vom deutschen Bratschenwunder und zweifachen Echo-Preisträger Nils Mönkemeyer im faszinierenden Zusammenspiel mit der Kammerakademie Potsdam manchen neuen Erkenntnisgewinn zu virtuoser Handhabung und Ausdrucksfülle des Instruments gebracht hat. „Folia“ nennt sich die Zusammenstellung, die dem gleichnamigen, überaus ausgelassenen, geradezu bewegungswilden Volkstanz aus Portugal barockmusikalische Reverenz erweist.

Als ein Spielmann, historisch kostümiert und voller Übermut, präsentiert sich Nils Mönkemeyer nicht nur auf dem Cover, sondern auch aus der digitalisierten Sony-Tonträgerkonserve heraus. Im thematischen Mittelpunkt seiner verwegenen Streichbemühungen steht dabei jene „Folia“ von Arcangelo Corelli, mit der dieser seine Sammlung von zwölf Violinsonaten krönte. Der Bratschist hat diese Variationen über eine altspanische Sarabande für sein überaus klangreiches, in der Werkstatt des Münchner Geigenbauers Peter Erben angefertigtes Instrument bearbeitet. Mit fabelhafter Technik und faszinierender Ausdrucksbreite steigert sich der Solist, assistiert von Cembalo und Continuo-Cello, auf fast fingerbrecherische Weise in den „Wahnsinn“, um wenig später mit quasi überirdisch-abwesender Klanggeste zu brillieren.

Ebenfalls nicht original, sondern von Mönkemeyer/Marco Hertenstein adaptiert, erklingt Johann Sebastian Bachs Concerto d-Moll BWV 1052: Ursprünglich für Violine geschrieben, später für Cembalo arrangiert. Nun also die Bratschenversion, die sich als eine stilvolle, dunkel getönte und sanft gestimmte Annäherung an die perlende Geläufigkeit der Cembalo-Version entpuppt. Statt auf vordergründige Brillanz setzt Nils Mönkemeyer gänzlich auf eine verinnerlichte Virtuosität. Dabei verfügt er über eine sehr gelenkige Hand, leichte Bogenführung und reinen Strich, loderndes Feuer, berührende Innigkeit – kurzum: Über vorzüglichen Geschmack. Die Kammerakademie liefert sowohl für die spritzigen Ecksätze als auch die schmerzvollen Affekte des gedankenklar musizierten Adagio einen vollmundigen Sound hinzu. Ihre historisch orientierte Musizierweise ohne alle akademische Tüfteleien, dafür mit Spaß an ungebremster Spiellaune bekommt auch Georg Philipp Telemanns (originalem) Konzert für Bratsche, Streicher und B.c. G-Dur außerordentlich gut. Dazu passt der gleichsam rotweinsüffige, glutvolle und aufblühende Ton des Solisten ganz vorzüglich.

Zwischen diese barocken Vorzüglichkeiten sind Stücke aus „Symphonies des Noël“ von Michel Richard Delalande (1657-1726), die einst als unterhaltsame Zerstreuungen zwischen den Gängen des königlichen Soupers gereicht wurden. Sozusagen als appetitanregendes Amuse-Gueule erweist sich der „Tambourin“-Gruß in seiner tänzerischen Verve. Nicht weniger unterhaltsam die ausgelassene Freude von unbekümmerten Landleuten, die ungelenken Bewegungen zweier Tölpel in diversen „Airs“. Und was fällt einem glücklichen Silberscheibenhörer zum Schluss noch ein? Friedrich Nietzsches Empfehlung an Musiker: „Willst du das Leben leicht haben, so bleibe immer bei der Bratsche.“ Peter Buske

„Folia“ – Nils Mönkemeyer (Viola) und die Kammerakademie Potsdam spielen Werke von Bach, Corelli, Delalande und Telemann (Sony)

Peter Buske

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