zum Hauptinhalt

Kultur: Tanztheater zwischen Kuss und Mord

Es spielt keine Rolle, ob Mann und Frau oder Mann und Mann. Beziehungskisten sind Konfliktkisten.

Stand:

Es spielt keine Rolle, ob Mann und Frau oder Mann und Mann. Beziehungskisten sind Konfliktkisten. Gefüllt mit verletzten Gefühlen, Machtspielchen und allem was dazu gehört. Das Männer-Duell des spanischen Duos Jordi Cortés und Damián Munoz zeigte am Montag bei den Potsdamer Tanztagen, dass Männerlieben sich dabei in Nichts von anderen Lieben unterscheiden. Nach dem tödlich endenden Liebesspiel am Wochenende bekam das Publikum nun ein weiteres Beziehungsdrama mit dem bezeichnenden Titel „Ölelés“ präsentiert (eine Uraufführung). Das ungarische Wort steht für Mord und Kuss. Kein anderer Titel würde besser zu dem Kampf des einstigen Liebespaares passen, zu dem aufreibenden Duell, das keinen Sieger hat. Viel Glas geht an diesem Abend zu Bruch. Ein weißer Blumenstrauß hängt wie ein Friedenssymbol von der Decke herunter. Die Tänzer saugen den Duft der Blüten auf, schnuppern durch das Weiß hindurch am Nacken des Anderen, zärtlich, leidenschaftlich, impulsiv. Bis sie sich in den Armen liegen – ohne sich wirklich zu berühren. Spannung ist spürbar, die Stimmung schlägt plötzlich um, wird aggressiv, der eine will der Situation entfliehen, der andere reißt ihm am Aufschlag seines rotglänzenden Jackets zurück. Bis auf kleine liebevolle Gesten, die sich den Tänzern nahezu ungewollt aufzudrängen scheinen, ist es in dem Stück schon fast vorbei mit der Harmonie. Das, was das Paar einmal verbunden hat, bleibt unauffindbar. Das Hin und Her der Gefühle, das verletzt und allein gelassen Sein, steht den Darstellern ins Gesicht geschrieben. In präzisen Haltungen und Sprüngen liefern sie sich mit ästhetischer und sich Zeit lassender Gewandtheit ein Gegeneinander. Selbst der gemeinsame Paartanz zu sanfter Musik findet in einer Art Korsett statt, einer der Tänzer hängt an einem Seil unter der Decke. Eine einfallsreiche Idee, die interessante Figuren, im Liegen, kopfüber, im Sitzen möglich macht. Die Tänzer bauen kleine Requisiten in das Stück ein, ein roter, auf den Tänzern wandernder Punkt, ein leuchtender Spiegel, ein sprechender Walkmann, Weingläser, die am Ende auf dem Boden zerschmettert werden. Sie tauchen auf und verschwinden, das Stück wäre auch ohne einige von ihnen gut ausgekommen. Mit hochrangigem Tanz bringt das spanische Duo ein insgesamt spannendes Stück auf die Bühne – und doch bleiben die Figuren seltsam fern. M. Hartig

M. Hartig

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })