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Kultur: Tastenstunde

Die wahre Art „das Clavier zu spielen“ im Nikolaisaal

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Auf den kleinen Unterschied kam es an, am Sonntagnachmittag im Foyer des Nikolaisaals. Die Stunde der Musik widmete sich der wahren Art, „das Clavier zu spielen“. Und manchem Besucher wurde spätestens in der Pause klar, dass das „Clavier“ hier nicht nur eine Eigenart der Schreibweise war. Kein Steinway auf der Bühne, keine entfesselten Urgewalten à la Beethoven, nicht die Leichtigkeit eines Scarlatti oder die süße Schwere Chopins. Historisches Instrumentarium war aufgefahren: Cembalo, Hammerklavier und Truhenorgel – die wegen ihrer bescheidenen Größe nicht selten wie ein Leierkasten klang – , gespielt vom Berliner Konzerthausorganist Joachim Dalitz und dem Merseburger Domorganisten Michael Schönheit. Eine kleine Lehrstunde in Sachen Tastenkunst des 18. Jahrhunderts.

Dem Spanier Antonio Soler (1729-1783) gehörte der Auftakt. Sein Konzert für Orgel und Cembalo in G-Dur: eher Fingerübung für Dalitz und Schönheit. Das Andantino im gefälligen Wechsel, mal die Orgel (Dalitz), dann wieder das Cembalo (Schönheit) ein Thema vorgebend, das vom anderen Instrument aufgegriffen und nachgespielt wurde. Das Menuett in sechs Variationen luftig und fast schon übermäßig gut gelaunt. Mit Giovanni Bernardo Lucchinetti und Severo Giussani folgten zwei, von denen nicht viel mehr überliefert ist, als ein paar Kompositionen.

Lucchinettis Konzert für Hammerklavier und Orgel in B-Dur mit Spiritoso und Allegro gestaltet als feines Gespräch zwischen den Instrumenten. Schönheit an der Truhenorgel auf leise Töne bedacht, Dalitz am Hammerklavier den Vortritt lassend. Kontrastreich die Gestaltung zwischen Harmonie-Akkorden und Variationen, die die beiden Musiker mit müheloser Leichtigkeit meisterten. Auch Giussanis Sonata Concertata con Organo e Cembalo in G-Dur, Dalitz und Schönheit wieder im fliegenden Wechsel die Instrumente tauschend, ebenso souverän und farbig gestaltet.

Nach der Pause, die zahlreiche Gäste nutzten, um die „historischen“ Instrumente aus der Nähe zu betrachten und mit Michael Schönheit zu plaudern, dann Wilhelm Friedrich Bach und Mozart.

W. F. Bach, Lieblingssohn von Johann Sebastian, brachte mit seiner Sonate in F-Dur den Kontrapunkt ins Spiel. Hammerklavier (Schönheit) und Cembalo (Dalitz) hier im feinsinnigen Dialog, gelehrt aber nicht aufgesetzt, gehörten die drei Sätze zum überzeugendsten dieses Konzerts. Zum Schluss dann beide Musiker am Hammerklavier mit Mozarts Sonate in D-Dur zu vier Händen (KV 381). Und das nicht nur musikalisch ein überzeugend-abwechslungsreiches Bild.

Dalitz, ganz Akademiker, hochkonzentriert, mit ernstem Gesicht, nur die Lippen, die Töne formend, in ständiger Bewegung. Schönheit dagegen ein Racker an der Tastatur. Jeder Ton eine Mimik, jeder Akkord ein Bewegung, arbeitete er sich mit wallender Beethovenmähne durch die Noten. Mozart leichtfüßig tänzelnd, affektfrei, ganz auf die Melodien vertrauend. Das Publikum gab sich begeistert und dankte mit ausdauerndem Applaus. Dirk Becker

Dirk Becker

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