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Im eigene Liederkosmos. Der Sänger und Musiker Petula.

©  Dietrich

Kultur: Tausendsassa, Architekt und Tüftler

Sebastian Cleemann alias Petula mit seinen Liedern im „nachtboulevard“

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Seine Mutti war etwas irritiert, dass er als „Tausendsassa“ Sebastian Cleemann angekündigt wurde, meinte der Berliner Cleemann am Wochenende während des Programmes in der Reithalle. Und zwar irritiert darüber, dass das Wort „Tausendsassa“ in Anführungszeichen zu lesen war. Lassen wir also die Anführungszeichen weg – Cleemann kann man nämlich getrost als Tausendsassa bezeichnen. Der Bandname des Ein-Mann-Projektes lässt auf die britische Sängerin Petula Clark (genau: „Dooowntooown“) schließen, mit der er aber rein gar nichts zu tun hat, weder musikalisch noch äußerlich.

Der „nachtboulevard“ in der Reithalle zementierte am Wochenende wieder seinen Ruf des Geheimtipps, lediglich eine Handvoll Besucher fand sich ein, um Zeuge eines beeindruckenden Konzertes zu werden. Petula frönte der schrittweisen Architektur seiner Stücke, und ohne elektronische Hilfe ging da gar nichts. Erstaunlich, was er aus seiner Gitarre herausholte, die Percussion schickte er mit Fingertrommeln auf dem Corpus in die Loops, streute etwas Fingerpicking dazu und schickte auch diese Geräusche in die Schleife. So bauten sich Schritt für Schritt Songs auf, zu denen Petula mit geschlossenen Augen und zarter Stimme, die aber auch gewaltig ausbrechen konnte, seine tiefgründigen Texte brachte. Dabei hatte er einen Hang zum Tragisch-Melancholischen, tänzelte in zirkulierenden Bewegungen über die Bühne, dennoch musste man stets mit potenziellen Explosionen rechnen. Er verdoppelte seine Stimme in den Loops, verdreifachte sie sogar, und tauchte als eigener Livechor wieder auf.

Es war, als ob man jemandem bei einem Hausbau zusehen würde – man registrierte erste Bausteine, die sich zu einem Ganzen fügten, zu einer Treppe wurden, die weiter nach oben führte. Oder man sah die Musik als ein komplexes Gemälde, welches mehrere Farbschichten übereinander bekam und erst zum Ende seine volle Schönheit erreicht. Und das passt auch zu Sebastian Cleemann, der in seiner zurückhaltenden Art genau dem Typus der Tüftler entspricht, die vor Kreativität strotzen und ein hohes Mitteilungsbedürfnis haben, die sich wochenlang im Keller verstecken, um etwas Perfektes entstehen zu lassen – und dies mit Leidenschaft zu präsentieren. Ja, man kann es nicht oft genug sagen: Es ist ein Jammer, dass die „nachtboulevard“-Veranstaltungen auf so geringe Resonanz stoßen. Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

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