
© Karin Engels
Musikfestspiele Potsdam Sanssouci 2015: Telemann, Tulpenfreund
Passend zum Thema "Musik und Gärten": Die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci widmeten sich dem Barock-Komponisten und Blumenfreund Georg Friedrich Telemann.
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Potsdam - Dass Georg Friedrich Telemann nicht nur Komponist, sondern auch ein großer Blumenfreund war, lernten die Zuhörer am Sonntagabend in der ausverkauften Ovid-Galerie in den Neuen Kammern von Sanssouci. Der weiß-goldene Spiegelsaal, preziöses Prunkstück des friderizianischen Rokokos, bildete die Szenerie für das Konzert mit dem Quartett NeoBarock. Noch vor der Musik berichtete der Diplom-Musikwissenschaftler Ralph-Jürgen Reipsch über Telemanns Hobby – was in seinen Worten natürlich viel vornehmer klingt: „Ob die Musik zwar mein Pflug und Acker ist, (...) so habe ich ihr doch seit ein paar Jahren eine Gefährtin zugesellet, nämlich die Blumen-Liebe“, schrieb Telemann an einen Freund.
Während der Jahrzehnte als hochgeschätzter Musikdirektor in Hamburg steigerte sich Telemanns eingestandene „Unersättlichkeit nach Hyazinthen und Tulpen, Ranunkeln und Anemonen“ zunehmend, sodass er sogar die bekanntesten Vertreter der botanischen Wissenschaft mit Anfragen nach Blumensamen und exotischen Pflanzen bedrängte. Eine erhaltene Inventarliste zeugt noch heute von der reichhaltigen Flora in Telemanns Hamburger Garten.
Einstiger Vorwurf: "zu reichliche Tonmalerei"
Obwohl zu seiner Zeit europaweit berühmt, geriet der ungeheuer produktive Komponist schnell in Verruf. Vor allem „zu reichliche Tonmalerei“ wurde ihm zum Vorwurf gemacht – worin sich schon das musikalische Ideal einer anderen Zeit ankündigt. Zur neuen Würdigung dieser musikalischen Epoche tragen nicht zuletzt Alte-Musik-Spezialisten wie das 1993 gegründete NeoBarock-Ensemble bei, die den gesamten Konzertabend mit Sonaten von Telemann und seinen Musikerfreunden Händel und Pisendel bestreiten. Bei aller notorischen Gleichförmigkeit erklingen die ausgewählten Stücke doch vielfältig und farbig, was vor allem der engagierten, betont zündenden Vortragskunst von NeoBarock geschuldet ist. Schließlich steckte die Sonate – das Klangstück, wie die Übersetzung lautet – zu Telemanns Zeit noch in den Kinderschuhen.
Vor allem als Triosonate, so wie sie im Ovid-Saal ertönte, repräsentiert sie damals neue musikalische Errungenschaften. Als einer der wenigen Komponisten verwendete Telemann noch die Skordatur, wenn auch nur selten, wie bei der Sonate d-Moll TWV 42:d6 für zwei Violinen vorgeführt wurde. Die im Quint- und Quartenabstand umgestimmten Instrumente verströmten dabei ganz eigene, archaisch-strenge Klänge. Volker Möller sprang rasant über die Saiten und verlieh den legato-Passagen weiche Kantabilität. Überraschend, wie brillant seine Violine, ein Nachbau einer historischen Amati-Geige, klang.
Telemann kommt jedoch gegen Bach nicht an
Dass Darmsaiten nicht gleich Darmsaiten sind, zeigte sich bei Johann Pisendels virtuoser Solo-Sonate in D-Dur. Maren Ries forcierte die Läufe ins Äußerste, verstieg sich in die vertrackte Technik, sodass bisweilen nur noch die wenig ohrenfreundliche Hülle der sogenannten historisch informierten Spielweise übrig blieb. Musikalischen Genuss bot die von Volker Möller vorgetragene hochvirtuose Pisendel-Sonate in c-Moll. Allein die dramatische Introduktion machte diesem exzentrischen Werk schon Ehre, gefolgt von einem effektvollen Presto und beendet von einem verspielt-ambitionierten Satz. Mit einer Sonate von Georg Friedrich Händel, zu der Pisendel zwei Sätze beigetragen hat – ob er gefragt wurde, ist offen –, endete der Abend offiziell.
Solch ein enger konzeptioneller Rahmen wirkt letztlich doch eindimensional und wenig anregend. Glücklicherweise gab es als Zugabe den Mittelsatz aus Johann Sebastian Bachs Doppelkonzert für zwei Violinen, ein Werk von wahrhaft zeitloser Schönheit, das vom Ensemble NeoBarock in der Urfassung als Trio-Sonate wiederentdeckt wurde. Dagegen kommt selbst Blumenfreund Telemann nicht an.
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Babette Kaiserkern
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