Kultur: Tendenz heiter
Die Hofkonzerte huldigten Mendelssohn-Bartholdy
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Sollte das Glück je auf Erden gewohnt haben, so kann es nur in Leib und Seele des Komponisten Mendelssohn-Bartholdy geschehen sein. Sein attributiver Vorname Felix bestätigt das wohl genauso wie ein Hofkonzert der Potsdamer Künstleragentur Barbara V. Heidenreich vergangenen Freitag im Schlosstheater, welches seine Bühnenmusik zu Shakespeares „Sommernachtstraum“ als urerstes hören durfte. Genau so war auch dieses musikalisch-literarische Gastspiel benannt, eine briefliche Reise zu den inwendigen und aushäusigen Wegen dieses begnadeten Mannes, quer durch Europa, hin zu allem, was damals Rang und Namen hatte, und dies im vollsten Wissen, kein Geringer unter Gleichen zu sein.
Das abendfüllende Programm zum 200. Jubeltage wurde von dem Schauspieler Christian Quadflieg sprachlich, von der begnadeten Pianistin Hideyo Harada musikalisch geformt. Wer es zusammenstellte, erfuhr man leider nicht, offenbar war es ein ganz Lieber.
Nun soll man einem so teuren Toten bekanntlich nichts Schlechtes nachwerfen. Tat auch keiner, doch vielleicht hat sich die Ewigkeit nach zwei vollen Bühnenstunden doch ein wenig gewundert, was für ein edles, tadelloses, selbstloses, vergnügtes, talentiertes, hingebungsvolles, freundliches, ja gottbegnadetes Wesen da so früh von der Erde genommen wurde.
Er habe alle Widersprüche versöhnt, ein ganzes Jahrhundert fokussiert, Händel und Bach wieder unter die Leute gebracht und dabei noch so gewaltig komponiert, musiziert, gedichtet, gemalt und korrespondiert, dass selbst besagte Ewigkeit ins Staunen hätte kommen müssen. Trau, schau wem, sagte Shakespeare oft. Hatte der Bursche denn gar keine Ecken und Kanten, außer, dass er in Italien mal eine Partitur zerkloppte, weil ihm die transalpine Musizierkunst allzu missfiel?
Man hörte wirklich nur Gutes von und über ihn, wobei Christian Quadflieg mal sachlich, mal nach Lausbubenart all die vielen Texte las und kommentierte. Hätte er sie gelegentlich auch mal hinterfragt, der Abend wäre garantiert vielschichtiger geworden. So gab es eben nur Edles: „FMB“ der Humorvolle, der Briefeschreiber, der Orchesterdirektor, der Liebling Goethes, der gehorsame Sohn seines Vaters, der Förderer einer begnadeten Schwester mit Necknamen „Fännchel“. Spätestes unter „FMB im Echo seiner Zeitgenossen“ hätten sich wohl auch mal ein paar Kritiker und Neider zitieren lassen. Doch gemach, übel war das Gehörte nicht, zur kleinen Apotheose des Glücklichen gab es reichlich Schmunzeln und Szenenapplaus. Tendenz immerfort heiter.
Hideyo Harada spielte sämtliche Parts frei aus dem Kopf, wobei sie es verstand, jedem der kurzen Stücke ein ganz eigenes Gesicht zu geben. Hier nun hörte man eine andere Art Sprache, die eckige, kantige, wuchtige, besänftigende und die Übergänge zum Weichen und Zarten hin, welche Mendelssohn-Bartholdy in diese wunderbare Musik hineingelegt hatte.
Schafft ein Künstler denn nicht aus seinen Defiziten, und sagte man dem Komponisten nicht lange schon nach, im Kleinen vollendet zu sein, im Großen (zum Beispiel im „Elias“) freilich noch nicht? Er schrieb ja selbst, für ihn seien Noten viel klarer und eindeutiger als alle Worte. Großes Lob auch für sein Präludium und Fuge op. 35 Nr. 1, die so untypisch beginnt, in ihrer Mitte stark bächelt, sich dann einige Umkehrungen leistet, bevor sie zum Finale fast stillstehen will. Gerold Paul
Gerold Paul
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