Kultur: Theater mit Fernbedienung
Impro-Theater Sejtschas aus Petersburg im T-Werk
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Impro-Theater Sejtschas aus Petersburg im T-Werk Keiner weiß, was an diesem Theaterabend passieren wird. Nur dass das Publikum gut aufgelegt ist, spürt die gemischte Truppe – Schauspieler aus Petersburg und Potsdam – und das ist die beste Voraussetzung. Denn was der Abend bringen wird, hängt beim Improvisationstheater nicht allein von der Ausdrucksfähigkeit des Ensembles ab. Entscheidend ist, wie es um die Fantasie des Publikums bestellt ist. Und dies kennt sich aus und kichert an diesem Donnerstag in der Reithalle schon in Vorfreude. Die Bühne ist ein leerer Raum, einige Stühle, rechts – das wird ein wichtiges Requisit sein – ein altes Klavier und jede Menge Schlagwerk. Das war“s auch schon an nötiger Ausstattung, der Rest obliegt dem Zufall, dem Talent, der Fantasie. Zum Warmwerden sollen Fotos nachgestellt werden. Der Moderator, der wie sein Partner Andreas vom Impro-Theater des Poetenpacks „Skatchmo“ stammt, erbittet Vorschläge. „Klo“, ruft es ihm sofort entgegen. Die in unauffälligem Schwarz gekleideten Schauspieler positionieren sich zu einem Bild, jeder kommentiert seine Funktion. Der erste stellt sich breitbeinig mit ausgestreckten Armen hin. „Fliese“, sagt er auf Russisch, was sofort für das Publikum übersetzt wird. „Aufkleber auf der Fliese“, nimmt der nächste, der sich an den ersten klammert, die Idee auf. Der gekrümmte Letzte der Aufstellung sieht sich als „Papierrolle“ und schon ist die Gefahr, vulgär zu werden, gebannt. Freude auf den Rängen. So geht es weiter und die beiden Musiker, der Deutsche Alex und der Russe Dimo, klimpert die Tastatur rauf und runter, benutzen Glöckchen und Schlagwerk und kommentieren damit die Szenen, die sie freilich selbst noch gar nicht kennen können. Das erinnert an Organisten beim Stummfilm, Musik hält die Darbietung zusammen. Viele der Zuschauer scheinen mit den Möglichkeiten des Impro-Theaters bestens bekannt zu sein. Geradezu köstlich amüsiert man sich, wenn, als größte „Strafe“, ein Mime plötzlich ein Lied singen soll. Die Verständigung mit den russischen Gästen läuft prima und eröffnet sogar neue Möglichkeiten. Die Publikumsvorschläge lauten diesmal „Drogendealer“, als Ort wird der „Petersplatz in Rom“ genannt. Nicht sonderlich originell, aber es können halt nicht immer Regisseure und Drehbuchautoren im Publikum sitzen. Während die beiden Russen pantomimisch Tauben mit Kokain füttern, legen die beiden Deutschen einen Dialog über die Szene. Klar, die Russen verstehen nicht, was gesagt wird, das ist der Reiz. Dann weinen die zwei. Dann tanzen sie plötzlich Tango – wohl eine rettende Eingebung aus der Richtung des Klaviers. Weitere Hintertreppen, für den Fall, dass den Darstellern im Moment nichts mehr einfallen will, sind: lautes Schluchzen und Heulen oder in Veitstanz ulkig über die Bühne laufen, was besonders der Russe Sergej beeindruckend beherrscht. Beim Impro-Theater bekommt man das zu sehen, was man gerade noch im Kopf hatte. Das Ende der kurzen Szenen ist garantiert ein absurdes, weil die verschiedenen Fäden in der Kürze der Zeit selten wirklich zusammen gebracht werden können. Ein vergnüglicher Knoten ist das Ergebnis, und ein durchaus kurzweiliger. Matthias Hassenpflug
Matthias Hassenpflug
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