Kultur: TheodorakischRainer Rohloff überzeugte im Nikolaisaal
Einseitigkeit ist Rainer Rohloff ein Bedürfnis. Zehn Jahre spielte er im Orchester des griechischen Komponisten Mikis Theodorakis.
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Einseitigkeit ist Rainer Rohloff ein Bedürfnis. Zehn Jahre spielte er im Orchester des griechischen Komponisten Mikis Theodorakis. Als Theodorakis sich dann 1998, im Alter von 73 Jahren, vom Tourneeleben verabschiedete, da wäre es für Rohloff an der Zeit gewesen, Neues auszuprobieren. Und wie der 46-jährige Gitarrist am Freitagabend im Foyer des Nikolaisaals zeigte, hat er genau dies getan, indem er Theodorakis treu blieb. „Songs & Poems“ nennt Rohloff sein Programm von eigenen Bearbeitungen aus dem reichhaltigen Werk des griechischen Komponisten. Und damit bei den Zuhörern im gut besuchten Foyer erst gar keine Missverständnisse entstehen konnten, fand Rohloff gleich am Anfang ein paar klärende Worte: Nicht er, sondern nur seine Gitarre werde an diesem Abend singen. Denn mancherorts hatten Veranstalter und Zuhörer dies von ihm erwartet: fröhlich geschmettertes, griechisches Liedgut. Mit „18. November“ eröffnete Rainer Rohloff das Konzert, dem er „Asma Asmaton“ (Lied der Lieder) folgen ließ. Lieder, wie fast alle an diesem Abend, in den Theodorakis die griechischen Tänze und Volkslieder verarbeitete. Rohloffs Abschweifungen in der scheinbaren Begrenztheit der sechs Saiten ließen dabei immer die orchestrale Wucht der Originale erahnen. Und gerade darin liegt die Kunst dieses Gitarristen. Er hat sich daran gemacht, Theodorakis musikalische Sprache in seine eigene zu übersetzen. Er hat reduziert, sich manchmal ein halbes Jahr auf der Suche nach der richtigen Tonart gequält, Stücke begonnen und wieder verworfen, bis die Kompositionen seinem Instrument passten und trotzdem immer noch Theodorakis waren. So gelang es Rohloff in den sehr volksliednahen Kompositionen eine Ernsthaftigkeit zu bewahren, ohne die der Abend sehr schnell in eine samosschwere Tavernenseligkeit hätte abgleiten können. Höhepunkte dieses Konzertes waren Rohloffs Arrangements aus dem Oratorium Canto General und zwei Stücke aus dem Arcadia-Zyklus, denen er eine orientalische Improvisation voranstellte. Technische oder gestalterische Grenzen scheint Rohloff kaum zu kennen. Verinnerlicht sein Spiel mit einem wunderbar-klaren und in der Gestaltung vielfältigen Ton, mit dem er oftmals ein fast schon zerbrechliche Atmosphäre schuf. Doch nur auf die Musik wollte sich Rohloff dann doch nicht verlassen. Die Person Theodorakis, der neben seiner musikalischen Arbeit in Griechenland auch politisch aktiv war, will Rohloff nicht außen vorlassen. Er ließ sich Zeit, über den Komponisten zu erzählen, übersetzte Lieder vorzutragen. Ungewohnt und eigenwillig diese vortragsartigen Einschübe, die aber nie den Charakter von Belehrungen annahmen. Klar wurde an diesem kurzweiligen Abend, dass Rainer Rohloff mit Theodorakis noch lange nicht fertig ist. Dirk Becker
Dirk Becker
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