
© M. Thomas
Kultur: Tiefsinnig und heiser
Die Kultband Element of Crime spielte im Nikolaisaal ein Radiokonzert
Stand:
Sven Regener, Frontmann der Band Element of Crime, ist einer der besten deutschen Lyriker. Das sollte man einfach voranstellen, wenn man den Erfolg der Berliner Band verstehen möchte, die immerhin seit 1985 besteht.
Am Freitagabend spielten Element of Crime im Nikolaisaal, ausverkauft seit Monaten, Radioeins übertrug das Konzert live – und Regener kam jovial auf die Bühne, um zu erklären wie es läuft: Die Übertragung starte genau 20.07 Uhr, die Band fange natürlich schon vorher an: „Wir sind nicht die, die sich im Vorfeld das Singen verbieten lassen.“ Und um die Wartezeit etwas zu verkürzen, gab es ein Vorprogramm: das Berlin-Osloer Duo Apples in Space, ein bisschen die Ziehkinder von Element of Crime – unter der Ägide Regeners wurden die Songs aufgenommen. Die beiden spielen melancholischen Pop, während sie verklärt ins Publikum gucken – die perfekte Verkörperung der Unschuld: sie im schwarzen Kleid mit der Anmut einer Porzellanpuppe, er mit blonder Robert-Plant-Gedächtnismähne und zittriger Stimme, die gegen die Gitarre ankämpft, die er manchmal ein wenig zu derb malträtiert. Diese zerbrechliche Schüchternheit war süß, fast schon rührend, aber mit englischen Texten, die etwa darum kreisten, eine Hand zu halten, wenn man sich einsam fühlt, war das Duo in seiner Belanglosigkeit natürlich meilenweit entfernt von der lyrischen Tiefe des Hauptacts.
Element of Crime standen dann im Nebel und blauen Licht, Sänger Regener wirkte in seiner Präsenz fast schon bedrohlich, ein wenig „Süßes oder Saures“ im Blick. Er ist heiserer als sonst, eine kratzige Stimme, die nach Whisky und Rauch klingt, besonders beim Klassiker „Blaulicht und Zwielicht“. Er schafft es aber, dass man an seinen Lippen klebt, verschanzt seine zarten, aber kraftvollen Texte hinter einer Reibeisenstimme, mit der er ins Mikrofon schnarrt, als würde er morgens mit Reißzwecken gurgeln – fast ein wenig wie der junge Westernhagen, obwohl dieser Vergleich natürlich hinkt.
Während die Band hinter der Präsenz Regeners fast verschwand, wirkte dieser fast schon bedrohlich, was teils groteske und unfreiwillig komische Züge annahm – etwa wenn ihm sein Rechtsscheitel tief in die Stirn fällt und sich der Schatten des Mikrofons unter seine Nase schiebt. Aber das Auftreten passt doch zu den tiefsinnigen Texten, die eine ganz besondere Qualität haben. Und da braucht man sich nichts vormachen: Musikalisch sind die Stücke Element of Crimes durchaus austauschbar und eigentlich wenig innovativ, aber die Texte reißen es heraus: Songs mit Titeln wie „Schade, dass ich das nicht war“ oder „Straßenbahn des Todes“. Dieser Song wurde übrigens nie fürs Radio veröffentlicht, weil jemand vom Musikmarketing sagte, dass er sofort aus der Playlist falle, sobald irgendetwas Schlimmes mit einer Straßenbahn geschehe, erzählt Regener nebenbei.
Und es gibt auch Stücke aus dem neuen Album „Lieblingsfarben und Tiere“, das in der gleichen Geschmeidigkeit wie eh und je daherkommt: strudelnde Klänge, die sich an Regeners Texten entlanghangeln. Nichts Neues, sondern Altbewährtes aus dem Hause Element of Crime. Was soll’s, das Publikum ist begeistert, springt von den Sitzen und fordert zum Schluss noch Zugaben – am Ende sind es vier, die die Band liefern muss. Oliver Dietrich
Oliver Dietrich
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