Kultur: Tiefstapelei empfohlen
Lyambiko im Foyer des Nikolaisaals
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Lyambiko im Foyer des Nikolaisaals Es war einfach schon zuviel vorher da. Nicht nur das übliche Plakat, das schlicht für Lyambiko warb. Der Name allein weckt schon Neugier. Es waren die Superlative, die vor dem Konzert der Sängerin Lyambiko und ihren drei Musikern aus Berlin am Freitag im Foyer des Nikolaisaals allzu Außergewöhnliches priesen. Nun, Rasseln gehört zum Musikgeschäft, um nötige Aufmerksamkeit zu bekommen. Doch gerade im Jazz, wo das Understatement noch gepflegt wird, wirkt derartige Selbstbeweihräucherung, und sei es nur im Zitat, sehr befremdlich. Vielleicht hätte man sich nicht weiter daran gestört. Doch kaum war das Eintrittskärtchen kontrolliert, gab es ein Programmheft, das sich schnell als Reklameheft entpuppte. Ein kurzer Text zur Band, die seit 2001 zusammen spielt, und sich nach ihrer Sängerin, Tochter einer deutschen Mutter und eines Vaters aus Tansania, benannte. Dem folgten dann, zwei Drittel des Blättchens füllend, lobende Pressestimmen, 23 Stück an der Zahl. „Die Balladensängerin zum Schwärmen ... “, „Den Göttinnen des Jazz ganz nah ... “, so liest sich das und liegt schnell schwer im Magen. So war die Erwartungshaltung noch weiter in unerbittliche Höhe geschraubt worden. Standardmäßig begann Lyambiko ihr Programm. „April in Paris“, „Love me or leave me“, dazwischen Eigenkompositionen. Lyambikos Stimme gab sich wunderbar beweglich, ein wenig spröde und distanziert, ohne jedoch einen gewissen Charme zu verlieren. Doch selbst ihr puderzuckerweiches „The nearness of you“ ließ etwas vermissen. Dieser gewisse Funke, der mit Leichtigkeit überspringen sollte, nicht jeden erreichte er an diesem Abend im gut gefüllten Foyer. Und so blieb, trotz kräftigem Applaus und einigen verkauften CDs, die einzige Überraschung dieses Konzerts, dass die 29-jährige Lyambiko ein sehr gute Sängerin ist, mehr aber auch nicht. Doch halt, das ist nicht die ganze Wahrheit. Natürlich gab es andere Überraschungen: Die drei Musiker hinter Lyambiko. Torsten Zwingenberger am Schlagzeug, der Bassist Robin Draganic und der Pianist Marque Lowenthal. Diese Dreierbande tobte swingend im Hinterhalt, dass einem selig die Gliedmaßen zuckten. Vor allem Marque Lowenthals Einlagen waren es, die einen mit allem aussöhnten und den Abend auf das vollmundig angekündigte Niveau hoben. Mit einer Zugabe verabschiedeten sich Lyambiko. Und mancher verließ den Nikolaisaal mit der Gewissheit, das Tiefstapelei im Vorfeld sich hier bestimmt als vorteilhafter erwiesen hätte. Dirk Becker
Dirk Becker
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