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Kultur: „Tiere und Juden, das kommt immer bombig“

Der Comedian Oliver Polak ist Jude, kommt aus Papenburg und hat darüber ein Buch geschrieben – Montag liest er in Potsdam

Stand:

Herr Polak, wie hat Ihre Mutter auf Ihr Buch reagiert?

Sie sagte, dass es ein gutes und lustiges Buch sei. Dann hat sie mich nur noch gefragt, warum ich schreiben würde, sie hätte mit 42 Jahren versucht, das Abitur gemacht. Das sei doch totaler Blödsinn. Nun müsse sie sich darauf gefasst machen, dass die Papenburger sie deswegen ansprechen würden, da die vielleicht Realität und Fiktion nicht auseinander halten.

Und sie kommt damit zurecht?

Klar, sie hat gesagt, dass sie schon mit ganz anderen Sachen fertig geworden ist.

Wohl wahr, da finden sich schließlich einige Beispiele in Ihrem Buch. Sie schreiben aber auch, dass eine Spezialität Ihre Mutter sei, „mich vor anderen Leuten bloßzustellen und komplett zu entmündigen“. So etwas nimmt sie Ihnen nicht übel?

Nein, sie sagt jetzt auch immer, wenn Leute sie darauf ansprechen, dass ihr Sohn die guten Sachen von ihrem Mann und die schlechten von ihr hat. Sie nimmt das mit Humor. Mein Buch ist, trotz der vielen biografischen Bezüge, vor allem ein Roman, und es ist von einem Komiker geschrieben. So sollte auch jeder das Buch verstehen: Die Wahrheit und der Rest.

Was bei dem ersten Blick auf den Titel „Ich bin Jude, ich darf das“ nicht so leicht fällt.

Das ist ein Druckfehler. Eigentlich sollte es „Ich darf das, ich bin Trude“ heißen, aber irgendetwas ist im Verlag schief gelaufen.

Alles nur ein Druckfehler, der Ihr gesamtes Buch durchzieht? Es geht also nicht um die Erfahrungen von Oliver Polak als Jude, sondern um Oliver Polak als die Trude?

Nein, das war natürlich ein Scherz. Mir ist Authentizität wichtig. Und meine Identität ist: Oliver Polak aus Papenburg im Emsland, Jude. Immer wenn ich auftrete, erzähle ich Geschichten, die mich betreffen und prägen. Ein aktuelles Beispiel ist der britische Holocaust-Leugner und Comedy-Pater Richard Williamson. Wenn mir gesagt wird, ich als Jude in Deutschland gehöre zu einer Minderheit, sage ich jetzt, dass das gar nicht stimmt. Denn laut Williamson leben wir doch alle noch.

Eine Art von humorvoller Auseinandersetzung, die wohl nicht jeder wählen wird.

Das sind meine Gedanken, die bringe ich auf die Bühne. Und immer wieder habe ich erlebt, dass danach Leute aus dem Publikum oder Kollegen zu mir kamen und sagten: „Das hast Du Dir aber schlau überlegt. Du darfst das ja machen. Aber ich, da wäre die Hölle los.“ Dann habe ich mir irgendwann gesagt, dass ich mein Buch halt so nenne: „Ich darf das, ich bin Jude.“ Nun haben die den Salat.

Eine Jugend in Papenburg im Emsland scheint ja schon schlimm genug. Was aber unterscheidet einen jüdischen von einem nichtjüdischen Jugendlichen in Papenburg? Gibt es da so große Differenzen?

Es geht in diesem Alter vor allem um das Dazugehören. Ich schreibe über die Irrungen und Verwirrungen, die das bei mir ausgelöst hat. Wir haben nicht Weihnachten gefeiert, ich bin nicht zu Messdiener-Freizeiten oder in Pfadfinderlager gefahren, hatte keinen Religionsunterricht, also Ausgrenzung an bestimmten Ecken und Kanten erlebt. Jetzt, mit 30, ist das kein Problem mehr. Aber als Kind kann einen das schon durcheinander bringen.

Also war das Jüdische schon sehr früh sehr prägend für Sie?

Ja, durch meine Eltern. Aber das war sehr schwierig in Papenburg, denn wir, meine Mutter, mein Vater und ich, sind die einzigen Juden dort gewesen. Da hat Hitler wirklich einiges erreicht. Die nächste Synagoge war in Osnabrück und weil es keine koschere Fleischerei gab, haben wir uns eine Zeitlang welches aus Frankfurt schicken lassen.

Nicht allein der Titel Ihres Buches ist provokant. Auch das Bild mit Ihnen und einem deutschen Schäferhund ist nicht ohne.

Mein Verleger hat gesagt, Tiere und Juden, das kommt immer bombig.

Aber muss der Hund deswegen einen Davidstern um den Hals und auf dem Kopf eine Militärmütze der Waffen-SS tragen?

Den Hund habe ich aber schließlich an die Kette gelegt. Aber vielleicht spiegelt das Bild auch eine Verirrung wieder.

Befürchten Sie nicht, gelegentlich Grenzen zu überschreiten?

Natürlich mache ich Witze, in denen der Holocaust vorkommt. Aber ich würde mich nie über den Holocaust lustig machen. Ich würde mein Programm beispielsweise „Beschnitten oder am Stück“ oder „Jud Süßsauer“ nennen, aber nie „Oliver Polak: Ein Jude gibt Vollgas“. Da gibt es bei mir ganz klar eine Grenze.

Das Gespräch führte Dirk Becker

Oliver Polak liest am Montag, um 20 Uhr, im Waschhaus. Der Eintritt an der Abendkasse kostet 9 Euro

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