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Kultur: Tierfreund Fritz

Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen legte Buch vor

Stand:

Der Mensch als solcher ist ja schon völlig unergründbar, wie dann erst Friedrich Zwo! Gerade zu seinem Dreihundertsten kommen immer neue Dinge in Wort und Schrift ans Licht, das hat man nun davon. Druckfrisch noch, legen jetzt auch Sibylle Prinzessin und Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen ihren Beitrag zu Fritzens Jubelfeier vor. Sie wollten es am Mittwochabend in der Gewölbehalle des Kutschstalls in einer Lesung präsentieren, doch die Veranstaltung musste wegen einer Herzattacke des Prinzen kurz nach Beginn abgebrochen werden. Man versprach, sie baldmöglichst nachzuholen.

Mit Haut und Haar dem Geist der Aufklärung verpflichtet, handelt es „Vom anständigen Umgang mit Tieren“, was den Regenten im Hundertseitenbuch fast zum ersten Tierschützer der Neuzeit werden lässt: Die Heutigen wird’s freuen, so sie nicht eben mal „Anti-Royalisten“ sind. Tatsächlich, so steht darin geschrieben, gab es angesichts perverser und sogar öffentlicher Tierquälereien im 18. Jahrhundert Handlungsbedarf, denn weder bei der Jagd noch bei der Tiermast, geschweige bei der Verbrennung lebender Katzen auf den Märkten war man zimperlich mit der Kreatur, sie hatte ja weder Empfinden noch Seele. Schuld daran sei aber nicht allein die Langeweile des Adels gewesen, sondern auch einige Ideologen der Aufklärung selbst. René Descartes beispielsweise erklärte die Tiere zu fühllosen Maschinenkörpern, tief unter den Menschen stehend, also nach Belieben zu quälen. Vorderhand nahm auch Voltaire in einer Schrift über „Die Philosophie Newtons“ das leidende Tier in Schutz. Aber er wäre nicht der gewesen, der er war, wenn er eine solche Gelegenheit nicht genutzt hätte, dem verhassten Adel das Fell über die Ohren zu ziehen. Leider fehlt jeder Hinweis auf die eher menschliche Seite seiner angeblichen Tierliebe in der Neuerscheinung. Als Friedrich diese Abhandlung 1737 zu Rheinsberg in die Hände kam, soll es für ihn, als Philosophen in spe, „die eigentliche Offenbarung“ gewesen sein.

Er hatte ja schon als kindlicher Begleiter seines Vaters erlebt, wie das Wild auf den Jagden zusammengetrieben und zusammengeschossen wurde. Er hasste das. Schon 1741 ließ er den Tiergarten, der seinen Vorfahren die Trophäen direkt vor der Haustür servierte, in einen „Parc de Berlin“ umbauen. In einen „öffentlichen Lusthain“ für alle, wobei er darauf achten ließ, dass „chikanierende“ Zeitgenossen nicht die jungen Triebe der Bäume beschädigten. Tiere nun, heißt es im Vorwort, Affen, Pferde, Papageien, Pudel, Dromedar und Windspiel, hätten Friedrich „sogar näher gestanden als die eigenen Verwandten“. Na, das muss ja eine seltsame Sippschaft gewesen sein! Nicht ganz, denn mit einigem Vergnügen liest man den Briefwechsel zwischen dem Malteserhündchen Folichon aus Bayreuth und der Windspielhündin Biche zu Sanssouci, hinter denen sich Schwester Wilhelmine und Bruder Friedrich versteckten: „Gestehe, liebe Biche, daß die Menschen recht töricht sind, und daß ihnen das wenig zum Bewußtsein kommt“.

Weitere Kapitel erzählen von der Idee einer „Viehartzeney-Schule“, welche interessanterweise auf den Schlachtfeldern des Siebenjährigen Krieges entstand, als Friedrich sich über seine Ärzte empörte, die seinen Soldaten ruckzuck und reihenweise Arm und Beine amputierten. Von seinem wundersamen Leibreitpferd Condé, das ihn gleich um achtzehn Jahre überlebte, natürlich auch von seinen leichtgewichtigen Lieblingswindspielen Biche, Alcmène und Superbe. Letzterer galten sogar seine Sterbeworte: „Wo ist ,Superbe’, sie soll wieder auf den Stuhl kommen.“ Dort wurde das Tier, genau so wie er frierend, mit Kissen zugedeckt. Ein kurzer Abschnitt über den „freien Herrn“ von Knigge vollendet das Buch.

Gut und schön. Problematisch an diesem Opus ist allerdings die fehlende Sicht hinter die Dinge. Ob nun Voltaires Aufklärung oder Friedrichs einsame Tierliebe, alles wird „Eins-zu-Eins“ genommen. Ein Aufklärer und sentimentaler Tierfreund, der ganze Bataillone mit einem Kopfnicken in den Tod schickt, Tierschutz vor Menschenschutz? Offenbar haben die Kreaturen einfach die besseren Seelen. Der Text ist also höchst familienfreundlich geschrieben, gleichsam von Hohenzoller zu Hohenzoller. Auch die kolorierten Bildcollagen Sibylle Prinzessin von Preußens dürften das Denken eher vertrösten. Gerold Paul

Sibylle Prinzessin von Preußen, Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen: „Friedrich der Große. Vom anständigen Umgang mit Tieren“, MatrixMedia Verlag, 19,90 Euro

Gerold Paul

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