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Kultur: Tierliebe einmal anders

Neue Ausstellung in der Galerie am Neuen Palais: „Animals“ von Peter K. Kirchhof

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Nein, die Hintergründigkeit der Malerei von Peter K. Kirchhof war auf dem Bild der Einladungskarte noch nicht zu erkennen. Zwar stehen die beiden Vögel auf einer Holzstange und glotzen aus ihrem rechten Auge den Betrachter einigermaßen verstörend an, aber das konnte man noch als kleine Irritation, die in der Kunst ja häufig vorkommt, verbuchen,

Bei der gut besuchten Eröffnung der Ausstellung „Animals“ von Peter K. Kirchhof in der Galerie am Neuen Palais allerdings konnte sich bald keiner der Besucher mehr so recht an seinem Getränk erfreuen – und mancher schaute lieber in den herrlichen Frühling nach draußen anstelle auf die Bilder.

Kirchhof, der 1944 in Bremen geboren wurde, konfrontiert die Betrachter mit der verborgenen Seite ihrer Tierliebe. Kirchhof ist nämlich nicht nur Maler, sondern auch Schriftsteller. Er nutzt seine Wortgewalt dazu, um den Ölgemälden durch den Titel eine zweite Ebene hinzuzufügen, die mit dem Bild in eine Spannung tritt, lange im Gedächtnis flimmert und einen immer wieder nachdenken lässt.

Die beiden Marabus sind mit „Die verborgene Seilschaft“ betitelt, und man weiß nicht genau, was damit gemeint ist: ob es die Vögel sind, die durch eine unsichtbare Schnur miteinander und an den Holzstumpf gekettet sind oder ob sie selber eine wie auch immer geartete Seilschaft zur Bedrohung der armen Menschen darstellen. Nun sind Marabus ja solche Vögel, die dem Menschen nicht besonders behagen, das ist vielleicht auch der Grund, warum die beiden hier so frech aus ihrem rotlappigen Gesicht schauen: Sie sind weitgehend vor uns sicher. Wie aber steht es mit jenen Tieren, vor denen uns so wenig bange ist, dass wir sie sogar verspeisen? Auch dieser Frage geht der Schriftsteller und Maler durchaus doppelbödig nach und zeigt in „Der Turm der weißen Hühner“ eine Legebatterie, in der das weiße Federvieh in zahlloser Menge in einem rechtwinkligen Raum hockt und hilflos blöde starrt. Die in regelregelmäßigen Abständen von der Decke hängenden roten Trichter bilden einen feinen ästhetischen Kontrast zum weißen Gefieder, aber sie können nicht darüber hinweg täuschen, dass es sich hier mitnichten um einen Turm handelt. Und ganz deutlich wird, dass es sich hier auch nicht um Tierliebe, sondern um Quälerei handelt. Darauf hat Kirchhof es besonders angelegt: unter der zunächst harmlos wirkenden Maske eines Tierporträts kommt die gesamte Schieflage des Verhältnisses Mensch-Tier zum Ausdruck.

Besonders ironisch in dem „Reflexe der Prüderie“ genannten 1,20 m x 1,20 großen Ölbild, bei dem wie beim Metzger vor einem grünen Hintergrund schinkenähnliche Fleischstücke von der Decke baumeln. Roh natürlich, an manchen Teilen ist noch ein Schwänzlein zu erkennen, es könnte sich also um Schweine handeln. Dass aber der so vertraute und Appetit anregende Fleischerauslagenanblick mit der Prüderie in Verbindung gebracht wird und auch noch deren Reflex sein soll, eröffnet eine philosophische Dimension, die in nuce ein komplette Gesellschaftskritik enthält.

Auch bei „Konjunktur der Gefühle“, das eine Hühnerlegebatterie ausschnitthaft zeigt, werden Bereiche unserer verborgenen Wirklichkeit aufgedeckt, dass einem das Sehen vergehen möchte. Die durch den Titel erfolgte Verbindung zweier Wirklichkeitsbereiche, die wir üblicherweise fein voneinander getrennt halten, lässt uns in Verwirrung geraten: Was um Himmels Willen haben denn hier Gefühle verloren, noch gar Konjunktur? Diese Bilder klagen an.

In „Aufgebrauchte Imagination“ steckt ein Hahn im Klammergriff einer Maschine, die seinen Kopf zusammendrückt. So wenig wie diesem Tier eine kreative Entfaltung ermöglicht wird, so wenig entfaltet die Gesellschaft ihre Vorstellungskraft in Richtung der Leiden der Tiere – wäre eine mögliche Interpretation dieses Bildes. Wahrscheinlich werden sich nur die Wenigsten solche Bilder in ihr gemütliches Heim hängen. Die Bilder besitzen, fast will man sagen, trotz der autarken ästhetischen Dimension eine Sprengkraft, deren Detonation man sich nur ungerne aussetzen möchte. Aber das ist mehr, als viele andere vermögen.

Lore Bardens

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