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Kultur: Tonmalerisches Tirilieren

Collegium musicum Potsdam in der Kirche Bornim

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Die Programmhefte bleiben unauffindbar. So wird dem Publikum in der Dorfkirche zu Bornim die „Mühe“ erspart, sich mit Hintergrundwissen zu bereichern. Da muss das Gehörte ausreichen. Was es denn auch tut, da es sich um einprägsame Werke handelt, die das Collegium musicum Potsdam für seine Sommerkonzerte (tags darauf in der Babelsberger Friedrichskirche wiederholt) ausgewählt hat. Unter Leitung von Ronald Reuter liegen zunächst die Noten von Jean Sibelius sinfonischer Dichtung „Finlandia“ auf den Pulten der Amateurmusiker. Sie haben sich gut vorbereitet. In düsteren Farben kündet das schwere Blech, assistiert von wirbelnden Pauken, von Würde des finnischen Volkes. Schmetternde Trompeten und stürmische Streicherfigurationen schildern Kampfgetümmel, selbstbewusstes Sichbehaupten, schließlich hymnische Größe. Schade, dass Ronald Reuter sich fast ausschließlich auf die kompakte Ausführung des musikalischen Geschehens orientiert, auf differenziertes Gestalten dagegen weit weniger Wert legt.

Den tonmalerischen Ergießungen der Violinromanze „The Lark Ascending“ (Die jubilierende Lerche) des britischen Komponisten Ralph Vaughan Williams (1872-1958) sind er und die Musiker weit mehr zugetan. Es ist ein klangsinnliches Stück, das dem Solisten Peter Rainer reichliche Möglichkeiten gibt, mit unentwegtem Saitentirilieren zu brillieren. Mit zunächst ruhiger Flügelschlagfrequenz breitet die Lerche ihre Schwingen zum Gleiten aus. Peter Rainers klarer, warmer und gefühlvoller Ton lässt den fidelen Vogel sich alsbald höher und höher in die Lüfte schrauben, die „Thermik“ des Orchesters macht“s möglich. Das Zusammenwirken von Solist und Orchester vollzieht sich auf hohem künstlerischem Niveau. Akrobatische Eskapaden werden beiden dabei nicht abverlangt – alles klingt sehr kantabel, very british.

Dann übernimmt Knut Andreas den Dirigentenstab, um Richard Wagners einzige und äußerst selten gespielte C-Dur-Sinfonie zum Klingen zu bringen. Das Werk des damals erst 18-jährigen Komponisten wildert ausgiebig in Beethovenschen Klanggefilden, vornehmlich der 7. Sinfonie. Weitgehend epigonal ist“s, was in den vier Sätzen ertönt, die von akademischem Ehrgeiz um tonsetzerische Kunstfertigkeit nur so strotzen. Viel Blechgeschmetter gibt“s in der Andante-Einleitung zu hören, ehe die Entwicklung in bewegteres Fahrwasser gerät. Und da stampft der Wagnersche Luxusdampfer voller Klangeuphorie durch die bewegte See. Matrosen wie Steuermann halten sich tapfer – keiner wird ernsthaft seekrank. Dass bei dieser effektvollen Szenenmalerei technische Unzulänglichkeiten der Amateure nicht ausbleiben, lässt sich verschmerzen. Der Musiker Spiellust bleibt dennoch ungebremst. Des Dirigenten akkurate Schlagtechnik hilft, diese und andere Klippen sicher zu umschiffen.

Mit dramatisch-theatralischem Feuer unterm Kessel erreicht man schließlich den sicheren Hafen. Die Ankommenden werden mit Beifall überschüttet. Peter Buske

Peter Buske

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