Kultur: Total tonal
Matinee zum 100. Geburtstag von Reinhard Schwarz-Schilling
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Matinee zum 100. Geburtstag von Reinhard Schwarz-Schilling „Reinhard Schwarz-Schillings Musik lebt in der Welt von vorgestern und übermorgen“, schrieb einst Deutschlands bekanntester Musikkritiker Hans Heinz Stuckenschmidt über den der musikalischen Tradition verhafteten Komponisten (1904 – 1985). Der solcherart Lobgepriesene sah es ähnlich und seine Werke aus dem Dreiklang von „Geist, Seele und Herz“ geboren.Zeit seines Lebens folgte er nicht den Dogmen der Darmstädter Schule oder den Prämissen der Donaueschinger Atonalisten, setzte stattdessen konsequent auf Tonalität, das Primat von Melodie. Er will den Hörer total ansprechen, in ihm „spannungsvoll strömende Gesamtwirkung“ erzeugen. Man hört es seinen mittlerweile nur noch selten gespielten Kompositionen an. Sie zeigen durchweg keine Scheu vor großen Gefühlen. Am 9. Mai wäre der in Hannover als Sohn eines Fabrikanten geborene Schwarz-Schilling hundert Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass hat die Kammerakademie Potsdam am Sonntag zu einer Matinee in das Foyer des Nikolaisaals geladen. Doch warum gerade an ihn erinnern? Von 1938 bis kurz nach Kriegsende wohnte die Familie in Geltow, nachdem Schwarz-Schilling als Kompositionslehrer an die Berliner Musikhochschule berufen wurde. Besonders an diesen Potsdam-Bezug erinnerte sein Sohn Christian Schwarz-Schilling, Mitglied des Bundestages und ehemaliger Bundespostminister, in seinen sehr persönlich gehaltenen Erinnerungen. Das erste gemeinsame Musikerlebnis hatten sie beim Hören eines Schubert-Quartetts an einem Detektorempfänger, dem Vorläufer des heutigen Radios. 1941 besuchten sie ein Konzert in der Friedenskirche mit Werken von Bach, Händel und vom Vater. Das von Händel habe er, erinnerte sich der Sohn, „schön und festlich“, das von Papa „ganz gut, aber zu kompliziert“ gefunden. Die Wirkung von Bach blieb unerwähnt. Später werde er Bach lieben, prophezeite ihm der Vater. Daran hätte er denken müssen, sagte der Ex-Postminister, als er 1985 im Händel-Bach-Schütz-Jahr die entsprechenden Sonderbriefmarken herausgab. „Ich habe mich entschlossen“, überraschte der Heranwachsende alsbald seinen Erzeuger, „nicht Musiker zu werden“. Trotzdem musste er weiterhin täglich eine Dreiviertelstunde am Klavier sitzen. Auch die Mutter, eine Pianistin, bestand darauf. Die Vater-Sohn-Gespräche seien „ernst und charakterbildend“ gewesen, so Christian Schwarz-Schilling. In ihnen blieben die politischen Zustände nicht ausgespart. „Kein Schaffender steht außerhalb seiner Zeit“, habe der Vater stets betont – und danach gehandelt. Politische Repressalien wären da nicht ausgeblieben, so der Sohn. Was Reinhard Schwarz-Schilling technisch zwar anspruchsvoll, aber dennoch spielerisch beherrschbar komponierte, geschah mit Verantwortungsbewusstsein. Das als gediegene Studienarbeit vorgelegte Quintett op.1 beruht auf einem reizvollen barocken Gavotte-Thema von Padre Martini, das gefällig variiert ist und durchaus vom Duktus der mittzwanziger Jahre geprägt erscheint. Jan Böttcher (Oboe), Matthias Simm (Klarinette), Barbara Kehrig (Fagott), Andreas Bohm (Horn) und Sheila Elz (Klavier) setzen sich engagiert für das größtenteils verspielte, dennoch mit dramatischen Ballungen und Reibungsflächen nicht sparende Werk ein. Kapriziös und ein wenig flatterhaft wie die locker wehenden Ärmelfortsätze am Tüllgewand der Geigerin Ariadne Daskalakis klingt der von ihr vital und verinnerlicht gemeisterte Violinpart im Duo für Violine und Klavier (1977) mit Pianist Juan Jose Chuquisengo. Die satztechnisch reizvollen Stimmenverschlingungen im Streichquartett f-Moll (1932) spielt das Rainer-Quartett der Kammerakademie Potsdam (ein Name, den es zwar noch nicht gibt, aber unter dem sich die Vier alsbald präsentieren sollten) ausdrucksvoll und ausgewogen. Der Ton ist sehr klar und intonationssauber und von jener spürbar lebendigen Leichtigkeit, die gute Kammermusiker von jeher auszeichnet.
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